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Für eine bessere Spendenkultur
11/20/2009 von Stefan Loipfinger
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Entscheidungshilfe für Spender

#943 OIKOS EINE WELT e.V. zu Anfrage Organisation (2/15/2010)
Gute Tag,

sie schreiben auf ihrer Seite, dass es nicht reicht geld zu mobilisieren. sei schreiben, dass man helfen soll! Wie könnte man denn ihre Organisation unterstützen, wenn man nicht vorr Ort kann zum Helfen ihnen das Geld doch aber auch nicht so wichtig ist. Haben Sie denn immer wieder Anlässe, bei denen Sie freiwillige Helfer brauchen?

Gruß
von CharityWatch.de-Leser Pöla8796**

Re: von OIKOS EINE WELT e.V. (oikos@oikos-berlin.de)
vom 17.02.2010 17:10:37

Sehr geehrter CharityWatch-Nutzer,

vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Arbeit und an der Mitwirkung daran, die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen öffentlicher, verständlicher und transparenter zu machen. Als Nutzer von CharityWatch.de haben Sie genau das deutlich gemacht, und – ehrlich gesagt – uns zum ersten Mal in Kontakt mit dieser Idee gebracht.

Die von Ihnen zitierte Argumentation unserer Webseite haben Sie auf der Seite „Aktiv werden“ gefunden. Hier geht es uns darum deutlich zu machen, dass all die entwicklungspolitischen Organisationen und staatlichen Entwicklungshilfeprogramme nicht allein in der Lage sein werden, dem Problem der Armut im Süden mit Projekten und Transferleistungen beizukommen. (weiter..)

Re: von OIKOS EINE WELT e.V. (oikos@oikos-berlin.de)
vom 17.02.2010 17:12:40

2)
Dazu ist das Problem zu komplex, und in unserer globalisierten Welt wird es eher immer komplexer. Wenn wir von UNTERENTWICKLUNG sprechen, die im Kern die Ursache für die besondere Schwere der Armut in diesen Regionen ist (Armut gibt es ja nicht nur dort), dann sehen wir mindestens drei wichtige Ebenen der Verursachung:
1. eine historische Ebene: Kolonialismus als wesentlicher Faktor, der in der frühen Phase der Herausbildung der modernen Welt eine ungleiche (ungerechte) Entwicklung der verschiedenen Regionen eingeleitet oder verstärkt hat. Es entstanden Zentren und Peripherien mit ungleichen Chancen an der Teilhabe an den Vorteilen der modernen Zivilisation.
2. eine innergesellschaftliche Ebene in den Südgesellschaften: Ihre Entwicklung ist in einer „vormodernen“ Phase abgebrochen oder fremdbestimmt worden, so dass sich innergesellschaftlich Strukturen erhalten oder deformiert haben, die heute zu den starken Hindernissen bei der Überwindung der Unterentwicklung gehören. Damit meinen wir solche Fragen wie: wie stark ist das Individuum interessiert und in der Lage, Eigeninitiative zu entwickeln? (weiter)

Re: von OIKOS EINE WELT e.V. (oikos@oikos-berlin.de)
vom 17.02.2010 17:13:23

3) Wie hat die Gesellschaft gelernt, in großen „nationale“ Fragen einen Dialog und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Gruppen zu finden (Beispiel Verteilung von Öleinnahmen oder anderen nationalen Reichtümern, die im Weltmarkt eine Rolle spielen)? Wie stark ist die Familie als Entwicklungsfaktor oder -hindernis?
3. eine aktuelle Ebene der Verursachung oder Verfestigung von Ungleichheit zwischen den Regionen: auch die heutigen tagtäglichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Nord und Süd reproduzieren oft (nicht immer) die Ungleichheit. Was an Entwicklungshilfe nach Süden fließt, ist quantitativ nur ein Bruchteil dessen, was an Gewinnen aus ungleichen Wirtschaftsbeziehungen nach Norden fließt. Stand diese fortlaufende Benachteiligung der Dritten Welt schon im letzten Jahrhundert im Blickpunkt, so kommt heute mehr und mehr eine weitere Dimension hinzu: die ungleiche Vernutzung von globalen Ressourcen, Stichworte Klimawandel, Wasserressourcen, „Verschmutzungsrechte“.
(weiter)

Re: von OIKOS EINE WELT e.V. (oikos@oikos-berlin.de)
vom 17.02.2010 17:14:09

4)
Das war jetzt sicher sehr grundsätzlich, aber ich will gleich erklären, was das mit unserer Arbeit als NRO und mit unserem Appell auf dieser Webseite zu tun hat, sich am gesellschaftlichen Dialog zu beteiligen und nicht nur (aber auch) Geld zu spenden:

1. Historisches: Wann immer wir als NRO mit unseren afrikanischen Partnern an einem Entwicklungsprojekt arbeiten, haben wir auch mit der Frage des Umgangs mit dem Erbe des Kolonialismus zu tun. Der Kolonialismus hat diese Gesellschaften brachial umgestaltet, hat tiefe Spuren hinterlassen. Wie sehen wir unsere Arbeit vor diesem Hintergrund? Als Wiedergutmachung? Sollen wir versuchen, den kolonialen Einfluss rückgängig zu machen, „zurück zu vorkolonialen Zuständen“? Kann man ihn „positiv aufheben“, in dem man seine „zivilisatorischen Seiten“ den einstigen Kolonisierten zugänglich macht? Das sind keine theoretischen Fragen, wir haben damit täglich zu tun, wenn wir z. B. den kleinbäuerlichen Kaffeeanbau in Angola aufbauen helfen.
(weiter)

Re: von OIKOS EINE WELT e.V. (oikos@oikos-berlin.de)
vom 17.02.2010 17:15:00

5) Dazu brauchen wir ein gesellschaftliches Verständnis hier in unserer Gesellschaft, eine Auseinandersetzung mit der eigenen (deutschen, europäischen) Kolonialvergangenheit. Sehen Sie diese Auseinandersetzung hier?

2. Das innergesellschaftliche Entwicklungsproblem im Süden: Hier meinen wir, dass es gute und weniger gute Ansätze in der Gestaltung von Entwicklungsprojekten und –programmen gibt, und dass deren Wirksamkeit ganz oft davon abhängt, wie sie sich mit diesen innergesellschaftlichen Hemmnissen auseinandersetzen. Wie arbeitet z. B. ein Projekt mit den traditionellen Dorfstrukturen zusammen? Wie weit akzeptiert ein Projekt, dass sich bei der Umsetzung eines Vorhabens (z. B. Bewässerungslandwirtschaft) soziale Ungleichheit im Dorf verstärkt, wenn es insgesamt bergauf geht? Das es gute und schlechte Bauern gibt? Allzu selten wird hierzulande hinterfragt, ob die Art und Weise, wie solche Projekte konzipiert werden, wirklich die beste ist.

(weiter)

Re: von OIKOS EINE WELT e.V. (oikos@oikos-berlin.de)
vom 17.02.2010 17:15:58

6) Dazu gibt es zwar eine Fachdiskussion zwischen Entwicklungshelfern, aber das reicht nicht aus, wenn wir als NRO in Zukunft auch eine qualifizierte Spendenbereitschaft haben wollen, die eben nicht nur Geld dann gibt, wenn die Not scheinbar am größten ist, sondern die sich auch um langfristige Hilfe kümmert. Sehen Sie, dass es hier durchaus ein „Angebotsproblem“ gibt, wenn die Anlässe, die zu Spenden führen, aus sicher gut gemeinten Gründen stark bestimmen, welche Art von Projekten gefördert wird?

3. Aktuelle Ungleichheit im Weltwirtschaftsgeschehen: Auch hier sind wir als NRO fast täglich mit dem Widerspruch zwischen den Zielen der Entwicklungshilfe und den oft gegenläufigen Auswirkungen des „normalen“ Wirtschaftsgeschehens konfrontiert. Wie sollen Hühnerwirtschaften mit freilaufenden Hühnern im Süden für die Bauern Gewinn bringen, wenn aus Europa viel billigere Hühnerreste aus Großfarmen auf den afrikanischen Markt geworfen werden?
(weiter)

Re: von OIKOS EINE WELT e.V. (oikos@oikos-berlin.de)
vom 17.02.2010 17:16:43

7) Welcher Kaffeepreis ist „gerecht“, wie viel braucht der afrikanische Kaffeebauer davon, um leben zu können? Je mehr die Wirtschaften zwischen Nord und Süd im Zuge der Globalisierung verflochten sind, umso größer sind die Auswirkungen des Stärkeren auf den Schwächeren. Aber auch die Rückwirkungen auf den Norden. Deshalb haben wir als NRO ein großes Interesse daran, dass hier ein Nachdenken darüber stattfindet, welche globalen Auswirkungen (und damit Auswirkungen auf die Lebensbedingungen im Süden) unsere Lebensweise hierzulande hat. Schon deshalb wollen wir, dass das Problem nicht mit Spenden „abgehakt“ wird, sondern die viel kompliziertere Frage gestellt und ihr nachgegangen wird, was in unserer Gesellschaft geändert werden muss, damit eine nachholende oder alternative Entwicklung des Südens eine bessere Chance bekommt.

Aber sie haben auch ganz praktische Fragen gestellt: wie kann man ganz konkret einer Organisation wie OIKOS helfen?
(weiter)

Re: von OIKOS EINE WELT e.V. (oikos@oikos-berlin.de)
vom 17.02.2010 17:17:26

8)
Wir werben durchaus auch für Spenden, denn wir sind der Meinung, dass Projekte wie unsere langfristig dazu beitragen, die Armut zu überwinden (und nicht erst dann einsetzen, wenn etwa eine große Katastrophe geschieht), und dass sie dazu vor allem die eigenen Kräfte der Betroffenen und ihre Würde stärken.

Und sonst? Ich gebe zu, in den ersten Jahren von OIKOS war es einfacher, über das Spenden hinaus „praktisch“ zu helfen. Damals hatten wir großen Bedarf an gebrauchten Nähmaschinen und Werkzeug für die Projekte in Afrika. In den Jahren nach der Wende haben wir viele freiwillige Helfer gehabt, die sich dabei engagierten, Container beluden und Infostände betreuten. Heute sind die Anforderungen an die Projekte gestiegen, wir betreuen überwiegend längerfristige landwirtschaftliche Projekte in Angola, in denen neue Technik zum Einsatz kommt. Gute gebrauchte mechanische Nähmaschinen, die auch in den Dörfern ohne Strom funktionieren, scheint es hier außerdem kaum noch zu geben.
(weiter)

Re: von OIKOS EINE WELT e.V. (oikos@oikos-berlin.de)
vom 17.02.2010 17:21:26

Freiwillige Helfer können wir dennoch auch heute noch gebrauchen, wenn auch nicht mehr beim Containerladen. Wo liegen Ihre Fähigkeiten? Es gibt einige Betätigungsfelder, auf denen wir ganz bestimmte, qualifizierte Hilfe benötigen:
-Unsere Webseite: sie ist jetzt schon zum großen Teil von studentischen Helfern erstellt worden, eine Aktualisierung ist immer nötig.
-Medienbeiträge: es gibt Dokumentarfilmmaterial, das für den Einsatz auf Filmfestivals, an Schulen und bei Workshops vorbereitet und vorgestellt werden muss.

Wenn Sie an einem weiteren Austausch Interesse haben, melden Sie sich doch direkt bei uns, vielleicht finden Sie eine Möglichkeit, sich bei uns einzubringen. Unsere Kontaktdaten finden Sie unten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bert Maciy
OIKOS EINE WELT e. V.
Greifswalder Str. 33a
10405 Berlin
Deutschland
Tel.: ++49 (30) 42852073
Fax: ++49 (30) 42852074
E-Mail: oikos@oikos-berlin.de
(Wir schicken Ihnen den Text gern noch einmal zusammenhängend an Ihre E-mail-Adresse, leider sind hier nur immer 1000 Zeichen zulässig, daher die Sendung in 9 Teilen)

* Die Fragen werden von CharityWatch.de per eMail an die betreffende Organisation gesendet. Zur Beantwortung steht ein angemessener Zeitraum von 7 Tagen zur Verfügung. Nach verstreichen dieser Antwortzeit werden nicht beantwortete Anfragen bei der jeweiligen Organisation rot markiert.

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