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Für eine bessere Spendenkultur
7/23/2009 von Stefan Loipfinger
Archivtext

Hilfsaktion Noma e.V.

Verschleierte Fundraisingkosten

Gemeinnützige Arbeit kostet Geld, selbst wenn sie ehrenamtlich betrieben wird. Deswegen sind Hilfsorganisationen auf Spenden angewiesen. Dass auch die Gewinnung von Spenden Ausgaben verursacht ist schade, aber immer dann vertretbar, wenn sich die Kosten in einem angemessenem Rahmen bewegen und der Spender ihre Höhe kennt. Bei Hilfsaktion Noma e.V. ist beides in Frage zu stellen. Auf der Homepage werden zum Beispiel die Kosten verschleiert. Dort wird mit einer Kuchengrafik die Mittelverwendung 2007 suggestiv so dargestellt, als wären 100 Prozent der Gelder in Hilfsprojekte geflossen. Dieselbe irreführende Darstellung findet sich in der einmal jährlich veröffentlichten Zeitschrift „Noma Aktuell“ vom April diesen Jahres. Dabei sieht die Realität ganz anders aus: Von 2,85 Millionen Euro Spendeneinnahmen wurden 2007 für Mailings 2,25 Millionen Euro ausgegeben – stolze 79 Prozent!

Hintergrund. Die Fachoberlehrerin Ute Winkler-Stumpf gründete 1994 den Verein Hilfsaktion Noma e.V.. Dabei geht es vor allem um die Bekämpfung der Krankheit Noma, in Deutschland unter Wangenbrand bekannt. Meist durch Nahrungsmangel und schlechte Hygiene siedeln sich im Mund Bakterien an, die im späteren Stadium Muskeln und Knochen befallen und sich über das gesamte Gesicht ausbreiten. Insbesondere unter schlechten Lebensverhältnissen aufwachsende Kinder bis sechs Jahre verfügen noch nicht über die notwendigen Abwehrkräfte, um den Ausbruch der Krankheit zu verhindern.

Freibrief vom Finanzamt. Mit den sehr hohen Mailingkosten konfrontiert, hat Ute Winkler-Stumpf mehrfach ausweichend auf ein Schreiben des Finanzamtes Regensburg verwiesen. Demnach wurde der Kanzlei Genge + Schmidtmeier im Jahre 2004 bestätigt, dass 40 Prozent der Mailingausgaben in den folgenden vier Jahren als „Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der satzungsgemäßen Zwecke“ akzeptiert werden. Einzige Voraussetzung: Die tatsächlichen Ergebnisse der Sammelaktionen entsprechen den damals vorgelegten Prognosen. Schon merkwürdig, warum das Finanzamt nicht bestimmte Anforderungen an den Inhalt der Mailings gestellt hat. Denn Winkler-Stumpf hat im Jahresbericht 2008 die Intention der Öffentlichkeitsarbeit offenbart: „Neben der Fortentwicklung der Konzepte, der Supervision, der Organisation, dem Aufbau eines festen Spenderstammes (ca. 93.000) durch das Fundraising, ist nach wie vor die Öffentlichkeitsarbeit die wichtigste Aufgabe des Vorstandes, denn nur so können die notwendigen finanziellen Mittel gesichert werden.“

Zahlen 2008. Sehr aufschlussreich ist die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für 2007 nicht. Wer wissen möchte, wie hoch das Ergebnis der Mailingaktionen ist, sucht vergeblich. Denn die 2,85 Millionen Euro Spendeneinnahmen enthalten auch Überweisungen von anderen gemeinnützigen Organisationen und treuen Unterstützern, die auch ohne Bettelbriefe spendeten. Dagegen stehen Kosten für Briefsendungen (Mailings) von insgesamt 2,25 Millionen Euro. Könnte es sein, dass die Kosten für den Fundraiser damals die direkten Einnahmen aus seinen Mailingaktionen fast vollständig verschlang? 2008 erhielt die Hilfsaktion Noma 2,92 Millionen Euro Gesamtspenden. Davon nahm der Schweizer Fundraiser SAZ laut einer eigenen Präsentation 1,92 Millionen Euro ein. Bei der Spendenakquise wurde der Schwerpunkt auf Mailings an bestehende Spender gelegt. Das bringt erfahrungsgemäß bessere Ergebnisse. Den 1,92 Millionen Euro stehen allerdings 966.000 Euro Kosten gegenüber. Die SAZ erhielt mit 50,4 Prozent also mehr als die Hälfte der von ihr eingesammelten Spenden!

Verschleiern. Nicht nur die Höhe der Kosten ist ein Skandal, sondern ebenso das Verschleiern gegenüber den Spendern. Mit diesem Vorwurf konfrontiert, antwortete Winkler-Stumpf: „Die Fundraisingkosten wurden, wie im Anhang ersichtlich, den Mitgliedern bei der Jahreshauptversammlung vorgelegt.“ (Mit dem Anhang ist die oben zitierte Präsentation von SAZ gemeint.) Dabei scheint die Lehrerin etwas entscheidendes zu vergessen: Der Verein hat in etwa 600 Mitglieder. Ein Teil wohnte der Versammlung bei. Die Zahl der Spender beläuft sich aber auf 93.000. Sie sind es, die durch die Mittelverwendungsgrafik auf der Homepage und in der Zeitschrift „Noma Aktuell“ in die Irre geführt werden.

Echte Hilfe. Sehr aussagekräftig bei Fragen der Zuordnung von Kosten ist immer die Betrachtung der echten Hilfeleistungen. Letztendlich spenden die Leute Geld, um Nomakindern zu helfen beziehungsweise der Krankheit vorzubeugen. Genau das wird in einem CharityWatch.de vorliegenden Mailingbrief suggeriert. Letztendlich steht jedoch von den Ausgaben viel zu wenig in direktem Zusammenhang mit geleisteter Hilfe: In 2007 waren es 27 Prozent und in 2008 ebenso geringe 28 Prozent der jeweiligen Gesamteinnahmen!

Satzung. Die von CharityWatch.de beim Amtsgericht Regensburg angeforderte Vereinssatzung enthält noch nicht die 2004 vorgenommene Ergänzung der Öffentlichkeitsarbeit als Vereinszweck. Die Frage nach dem warum, hat die Lehrerin Winkler-Stumpf nicht beantwortet. Ausgewichen ist sie ebenfalls der nicht ganz nachvollziehbaren Abgrenzung von Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising: „Die satzungsgemäße Aufklärungs- und Präventionsarbeit ist Hauptanliegen, um die Krankheit Noma ‚ausrotten’ zu können.“ Hauptanliegen? Der Spender sollte sich die Satzungsergänzung deshalb genau durchlesen: „Der Verein betreibt Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel der Sensibilisierung und Aufklärung der Bevölkerung über die Situation der Nomakinder in den Entwicklungsländern und er informiert über notwendige Hilfsmaßnahmen.” Im Klartext geht es wohl in erster Linie um die Aufklärung, dass in anderen Ländern noch viel zu tun ist und dafür dringend Geld benötigt wird – also eigentlich Fundraising.

CW-Meinung. Das Finanzamt Regensburg stellte einen Freibrief aus, ohne die Inhalte der Aufklärungsarbeit näher zu definieren. Dabei wäre eine genauere Prüfung der Öffentlichkeitsarbeit dringend anzuraten, nachdem die Vorstandsvorsitzende im Jahresbericht für 2008 sehr deutlich über die wahre Intention ihres Vereins informierte. Auch aus einem anderen Grund sollte der Jahresbericht Pflichtlektüre für das Finanzamt sein: Unter „weitere Reisen“ ist aufgeführt, dass „mehrere Reisen nach München/Nürnberg/Hannover Treffen mit SAZ“ stattfanden. Auf die Frage nach der Umsatzsteuer für die an SAZ überwiesenen Millionen antwortete Winkler-Stumpf allerdings: „SAZ ist in St. Gallen/Schweiz lokalisiert!“ Über Reisen nach St. Gallen ist im Jahresbericht aber nichts zu finden.