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7/5/2011 von Stefan Loipfinger
Archivtext

Deutscher Familienverband e. V.

Die ERGO-Versicherung und ihre Partner

Wohin führt der Weg im Alter?
© Danny Meyer - Fotolia.com

In ganzseitigen Anzeigen hat der Versicherungskonzern ERGO vor einigen Tagen Fehler eingestanden und sich entschuldigt. Er hat auch versprochen, beispielsweise etwas gegen die seltsamen Trinkspiele oder die Incentive-Reisen nach Budapest mit Prostituierten zu unternehmen. Doch die ebenfalls zweifelhafte Zusammenarbeit mit den Vereinen Bund der Steuerzahler Deutschland e. V. (BdSt) und Deutscher Familienverband e. V. (DFV) wird nicht auf den Prüfstand gestellt. Offenbar will man die Eintrittskarten zu Verkaufsgesprächen für Versicherungen nicht aufgeben.

BdSt. Bereits am 30. Dezember 2009 erschien ein kritischer Beitrag zum BdSt auf CharityWatch.de. Kritisiert wurde vor allem die Verschleierung der seit über 40 Jahren bestehenden Zusammenarbeit zwischen dem Verein und der Hamburg-Mannheimer Versicherung, die heute ERGO Lebensversicherung heißt. Diese Kooperation gibt es auch heute noch. Rund 200 Mitarbeiter werden von ERGO dafür bezahlt, dass sie Mitglieder für den BdSt werben. Alexandra Klemme, Leiterin Media Relations der ERGO Versicherungsgruppe, erklärte dazu: „Sie sind Angestellte der ERGO Lebensversicherung und haben keine weiteren Aufgaben bei der ERGO Stamm-Organisation. Eine Versicherungsvermittlung durch die Beauftragten ist ausgeschlossen.“ Aber natürlich geht es am Ende trotzdem um den Verkauf von Versicherungen: „Sollte der Gesprächspartner Interesse an einem Gespräch mit einem Versicherungsvermittler der ERGO Lebensversicherung aufzeigen, so nimmt die Beauftragte den konkreten Terminwunsch und das vom Interessenten gewünschte Gesprächsthema auf.“

DFV. Der BdSt ist allerdings kein Einzelfall. Der ERGO-Versicherungskonzern hat eine weitere Kooperation mit dem DFV. Aus dem Mund von Alexandra Klemme hört sich das dann so an: „ERGO unterstützt seit über 30 Jahren die gemeinnützigen Ziele des DFV. Der DFV - mit insgesamt 16 Landesverbänden - ist bundesweit flächendeckend aufgestellt. Ziel der Kooperation ist, Familien bei der Eigentums- und Vermögensbildung sowie bei Fragen der privaten Vorsorge wirksam zu unterstützen. Denn aufgrund der Vielzahl von Anfragen und dem latenten Bedarf rund um das Thema Vorsorge und Finanzdienstleistungen seiner Mitglieder benötigt der DFV die Unterstützung eines Experten für Versicherungsfragen.“ Unterstützung von einem Experten hört sich doch ganz gut an. Ein Verkaufsgespräch mit einem Versicherungsvermittler wäre wohl treffender. Aber damit bekommt man eben oft keinen Fuß in die Tür, weshalb auch zu anderen Mitteln gegriffen wird: „Im Rahmen der Durchführung von Umfragen, die u.a. ein Meinungsbild zu Versicherungen bzw. zur ERGO beinhalten, wird Kontakt zu potentiellen Privathaushalten aufgenommen. […] Der Vermittler weist in der Umfrage darauf hin, dass er Vertriebspartner der ERGO ist und auf Empfehlung des DFV kommt. Zum Abschluss der Umfrage bittet der Vermittler den Interessenten um schriftliche Erlaubnis, ihn zu einem späteren Zeitpunkt kontaktieren zu dürfen, um dann bzgl. eines Beratungstermins zur Vorsorge und Finanzdienstleistungen anzufragen.“

Stellungnahme. DFV-Bundesgeschäftsführer Siegfried Stresing sieht in der Kooperation mit der Versicherung ebenfalls Vorteile für seine Mitglieder: „Wir unterstützen, dass sich gerade Familien über ihre Absicherung Gedanken machen.“ Ein hehres Ziel. Ob das aber durch den Besuch eines Versicherungsverkäufers erreicht werden kann? Stresing sieht das durchaus so: „Entsprechend unserer Kooperationsvereinbarung erklären die Außendienstpartner, dass sie von der ERGO kommen und der Deutsche Familienverband (DFV) eine Prüfung der Vorsorge empfiehlt. Hierzu wird unser Empfehlungsschreiben vorgelegt und unser Magazin überreicht. Unumstritten ist die ERGO kein Sozialunternehmen und hat ein unternehmerisches Interesse, was nicht verheimlicht wird.“

Eigendarstellung. In wie weit diese Darstellungen mit der Eigendarstellung des Vereins auf seiner Homepage übereinstimmt, kann jeder selbst beurteilen. Dort wird von einer Lobby für die Familie gesprochen, die Einfluss auf die familienrelevante Gesetzgebung des Bundes und der Länder nimmt. Der seit 1922 bestehende DFV, der früher Bund der Kinderreichen hieß, beschreibt sich selbst als „älteste und größte parteiunabhängige und überkonfessionelle Interessenvertretung von Familien in Deutschland“. Klingt gut und wird schon fast gebetsmühlenartig vorgetragen: „Seit seiner Gründung setzt sich der Deutsche Familienverband als Sprecher aller Familien für eine Politik ein, die die Familie in den Mittelpunkt jedes gesellschaftspolitischen Handelns stellt und ihre Leistungen anerkennt. Sein Engagement gilt dabei traditionell den Handlungsfeldern, die den Alltag von Familien und die Entscheidung für ein Leben mit Kindern am meisten beeinflussen: der wirtschaftlichen Situation, der Wohnsituation, der Absicherung im Alter und der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsleben.“

CW-Meinung. Versicherungsverkäufer genießen wie Gebrauchtwagenhändler nicht gerade den besten Ruf. Deshalb ist es natürlich verführerisch für einen Versicherungskonzern, mit anderen Methoden den Fuß in die Türen potenzieller Kunden zu bekommen. Der BdSt und der DFV sind hier offensichtlich bewährte Vehikel. Dabei stellen sich beide als jeweilige Interessensvertretung für die Mitglieder dar, obwohl durch die Kooperation mit ERGO Interessenkonflikte nicht von der Hand zu weisen sind. Um noch genaueres dazu sagen zu können, wäre ein Blick in die jeweiligen Einnahmen und Ausgaben sinnvoll. Doch dieser wurde von beiden nicht gewährt. Dazu passt der Werbeslogan von ERGO sehr gut, der „Versichern heißt verstehen“ proklamiert. Auch zur Transparenzweigerung von BdSt und DFV kann man nur sagen: „Wir verstehen…“

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