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Für eine bessere Spendenkultur
10/24/2011 von Karin Burger
Archivtext

Patrashunde

Hunde im deutschen Tierschutzlabyrinth

Hündin Kivi: tot, aber als „vermittelt“ geführt
Bild: Bordernase

Die Homepage der Tierschutzorganisation Patrashunde schockt Besucher mit grausamen Fotos. Mit furchtbaren Bildern wird vom Schicksal erhängter, erschlagener und anderweitig gequälter Hunde berichtet. Dass hinter dieser Organisation kein Verein, sondern eine Privatperson steckt, wurde erst nach Beginn der CharityWatch.de-Recherchen im Impressum auf der Homepage deutlich gemacht. Verschiedene Pflegestellen haben schlechte Erfahrung mit Patrashunde gemacht. Fragen werden von der verantwortlichen Tierschützerin Renate Düser nicht beantwortet. Stattdessen bekommen einige Fragesteller und Kritiker sofort Kontakt mit der Patras-Anwältin.

Privatperson statt Verein. Hinter der Organisation „Patrashunde“ steht kein Verein, sondern nur eine Privatperson. Das aber war zu Beginn der Recherchen von CharityWatch.de nicht ohne Weiteres auf der Patras-Homepage zu erkennen. Und selbst die Anwältin von Patrashunde behauptet in einem Schreiben vom 7. August 2011 gegenüber einer früheren Pflegestelle, vom „Tierschutzverein Patras-Hunde e. V.“ beauftragt worden zu sein, obwohl es diesen Verein bis dato gar nicht gibt. Erst auf die journalistischen Fragen hin wurden das Impressum und andere Bereiche der Website geändert. Jetzt steht dort: „Da wir noch kein Verein sind, sind wir derzeit noch nicht berechtigt, Spendenquittungen auszustellen.“ Ob und seit wann eine Vereinsgründung geplant beziehungsweise in die Wege geleitet ist, lässt sich nicht feststellen, denn Patrashunde beantwortet keine Fragen von CW.

Spendenkonto genannt. Die Überarbeitung der Patras-Homepage erfolgte auch nicht durchgehend. Mit Redaktionsschluss zu diesem Artikel steht unter der Vermittlungsanzeige zum Hund Soulis: „Spendenkonto Renate Düser“ mit der Bankverbindung und ohne einen deutlichen Hinweis darauf, dass es sich nicht um einen Verein handelt und deshalb keine Spendenquittungen ausgestellt werden können. Und die Vermittlungstätigkeit von Patrashunde ist rege. Derzeit bietet Renate Düser allein über das Vermittlungsportal Tiervermittlung.de über 100 Hunde an. Gemäß der Patras-Homepage wurden 2011 bis heute etwa 175 Hunde vermittelt. Bei einer Vermittlungsgebühr von angenommenen 370 Euro ergibt das einen Umsatz von rund 65.000 Euro.

Toter Hund „vermittelt“. Die Kritik von Tierfreunden an Patrashunde, deren Initiatorin Renate Düser früher für den Verein Stray einsame Vierbeiner tätig war, schwelt schon seit Anfang des Jahres 2011. Helle Empörung löste die Aufdeckung des Falles der aus Griechenland stammenden Hündin Kivi aus. Diese war im Juli 2010 nach Deutschland eingeführt worden und musste aufgrund von angeblichen Verhaltensproblemen mehrfach den Platz wechseln. Plötzlich wurde sie auf der Patras-Homepage in der Rubrik „Happy End“ als vermittelt aufgeführt. Erst Ende Januar und nachdem auch die griechische Partnerin von Patras mehrfach vergeblich versuchte hatte, die Wahrheit über das Schicksal der Hündin zu erfahren, räumte Renate Düser schriftlich ein, dass die Hündin wegen ihres Verhaltens eingeschläfert worden sei. In einer E-Mail an die griechische Kollegin und weitere betroffene Tierschützer entschuldigt sich Düser für den „Vertrauensbruch“ und ihren Versuch, „die Tatsachen zu vertuschen“.

Kranken Hund eingeführt. Üble Erfahrungen als Pflegestelle von Patrashunde machte die Tierfreundin Ines J. Seit sie diese Erfahrungen veröffentlich hat, wird sie von der Anwältin der Organisation telefonisch, per E-Mails und Briefen in einer Art und Weise kontaktiert, die J. als Belästigung empfindet. Der Patras-Rechtsbeistand verlangt von der früheren Pflegestelle die Herausgabe des EU-Heimtierausweises und sieht in den veröffentlichten Erfahrungsberichten unwahre und die Ehre seiner Mandantin verletzende Aussagen. Ines J. hatte am 15. Juli 2011 am Flughafen Düsseldorf den Hund Dusty übernommen. Der schlechte Allgemeinzustand des Hundes veranlasste das Pflegefrauchen, diesen sofort einer Tierärztin vorzustellen. Diese hat ihre Untersuchungsergebnisse schriftlich fixiert: Statt des von Patras angegebenen Alters von zwei Jahren wird Dusty durch die Tierärztin auf mindestens acht Jahre geschätzt. Der Hund litt am Tag der Einfuhr nach Deutschland unter einer hochgradigen Perinealhernie (Dammbruch) rechts, einer weniger stark ausgeprägten links, habe sich in einem schlechten Gesamtzustand befunden, zeigte eine allgemeine Schwäche, verweigerte das Futter und litt überdies noch an hochgradigem Flohbefall zuzüglich einer Ohrenentzündung und vereiterten Zähnen. Höchst zweifelhaft ist es, einen Hund mit einem solchen tierärztlichen Befund in die Bundesrepublik einzuführen, da seine Transportfähigkeit stark in Frage zu stellen ist.

Abgestraft. Aufgrund des schlechten Zustandes von Dusty stellte Ines J. den Hund noch am gleichen Tag in einer Tierklinik vor. Doch für die Inanspruchnahme tierärztlicher Behandlung benötigen die meisten Pflegestellen die vorherige Zustimmung der Tierschutzorganisation zur Kostenübernahme. Diese Kostenübernahme sei von Patrashunde für Dusty verweigert worden, berichtet die Tierfreundin. Trotz eines Telefonats der Kliniktierärztin mit Renate Düser habe diese ihre Zustimmung zu der dringend notwendigen Behandlung verweigert und stattdessen verlangt, mit dem Hund die Klinik zu verlassen. Wieder zu Hause angekommen, fand das Pflegefrauchen nachts um 23.00 Uhr eine Beauftragte von Patrashunde vor ihrer Haustüre vor, die ihr den Hund sofort wegnahm. Wochenlang versuchte sie vergeblich, Einzelheiten zum weiteren Schicksal des Hundes in Erfahrung zu bringen. Erst kürzlich erschien nun auf der Patras-Homepage ein Bericht mit Bildern von Dusty, dessen Glaubwürdigkeit jedoch von den Patras-Kritikern angezweifelt wird.

Irreguläre Ausweise. CharityWatch.de hatte schon an früherer Stelle über EU-Heimtierausweise von Auslandstierschützern berichtet, die von den für dieses amtliche Dokument geltenden Vorgaben – etwa bei Papier und Farbgebung – abweichen. Das trifft auch für den EU-Heimtierausweis des Hundes „Dusty“ zu: Statt dem nach Muster der EU-Entscheidung 2003/803 vorgegebenem weißem Papier mit blau umrandeten Feldern weist dieser Ausweis schwarze Felder auf. Wie ein Mikrochip mit deutscher Länderkennzahl zu dem griechischen Ausweis passt, war auch eine der Fragen von CW, welche Patrashunde nicht beantworten wollte. Als Eigentümerin ist im Ausweis die griechische Kooperationspartnerin von Patrashunde eingetragen, nicht jedoch Renate Düser, welche am Einreisetag aufgrund der von ihr behaupteten Eigentumsrechte die Kostenübernahme für Klinikbehandlung verweigert hatte und der Pflegestelle am Abend desselben Tages den Hund wegnehmen ließ. Die größte Diskrepanz jedoch besteht zwischen der veterinärmedizinischen Bestätigung der Reisetauglichkeit im Impfausweis am 14. Juli 2011 im Kontrast zum tierärztlichen Gutachten in Deutschland am 15. Juli 2011.

Bezahlter Hund inseriert. Ähnlich schlimm ergeht es einer anderen früheren Pflegestelle von Patrashunde: Ilona R. Diese hatte die am 9. April 2011 über den Flughafen Frankfurt aus Griechenland eingeführte Hündin Angela übernommen. Übrigens existiert für diese Verbringung keine Traces-Meldung, wie das Veterinäramt Frankfurt gegenüber CW mitteilte. Die Tierfreundin entschloss sich dann, diese Hündin zu übernehmen. Dafür überwies sie an Renate Düser am 15. August 2011 die übliche Schutzgebühr von 370 Euro. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten verlangte Düser die Hündin dann wieder zurück, was Ilona R. jedoch verweigerte. Obwohl ihr auch die Schutzgebühr nicht erstattet wurde, bietet Renate Düser die gar nicht in ihrem Besitz befindliche Hündin „Angela“ auf verschiedenen Internetpräsenzen zur Vermittlung an.

Rolle Veterinäramt? Welche Rolle das für Patrashunde zuständige Veterinäramt Schleswig-Flensburg spielt, bleibt unklar. Eine Presseanfrage wurde erst gar nicht und dann mit Kopie an Renate Düser beantwortet. Das ist ein ungewöhnlicher Vorgang, der in diesem Fall auch die Recherchen behinderte. Obwohl ein gesteigertes öffentliches Interesse daran besteht zu erfahren, ob die vielen Tierimporte von Patrashunde im tierseuchen- und tierschutzrechtlichen Sinne korrekt abgewickelt werden, verweigert die Behörde die aussagekräftige Beantwortung detaillierter Fragen. Eine Registrierung nach Paragraph 4 Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung liege vor.

Viele Unklarheiten. Unklare Abläufe und Beschwerden über Patrashunde geben Anlass zu Zweifeln. Spender hatten sich schon früh an CharityWatch.de mit dem Hinweis gewandt, dass ihnen keine Auskunft über die Verwendung gemachter Spenden erteilt werde. Für die Hundehilfe Russland e. V. führt Patrashunde auf seiner Website einen Aufruf zu Flugpatenschaften, bei denen Hunde aus Russland (Drittland mit unsicherem Tollwutstatus) über Helsinki nach Deutschland eingeführt werden sollen. Der Aufruf behauptet entgegen geltender Rechtauffassung: „ […] kann man innerhalb von EU 5 Hunde rausholen“. Auch die Frage an Renate Düser, ob dieser Aufruf als Einladung zur Umgehung des geltenden Tierseuchenrechts zu verstehen ist, beantwortete die Tierschützerin nicht. Adoptanten von Patrashunde erwerben trotz der hohen Schutzgebühr von 370 Euro keine Eigentumsrechte an dem übernommenen Hund. Muss der Hund aus irgendwelchen Gründen wieder an Patras zurückgegeben werden, wird die Schutzgebühr offenbar nicht zurückerstattet.

CW-Meinung. Selten wurden an CharityWatch.de von so vielen verschiedenen Seiten Kritik und Hinweise zu Fragwürdigkeiten bei einer Tierschutzorganisation herangetragen wie im Fall Patrashunde. Auch die Dokumentenlage dazu ist üppig. An CW herangetretene Kritiker dieser Organisation berichten einheitlich, immer wieder von der Rechtsanwältin von Renate Düser kontaktiert worden zu sein. Auch CharityWatch.de erhielt schon einen Anruf dieser Anwältin, bevor überhaupt die Presseanfrage an Renate Düser gestellt worden war. Obwohl sich Patrashunde zur Beantwortung dieser Anfrage eine Fristverlängerung von einer Woche erbeten hatte, wurde keine der 17 Fragen beantwortet. Die Patras-Anwältin, die im Telefonat ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, gegen Entgelt tätig zu sein, verweigerte namens ihrer Mandantin unter Berufung auf eine falsche Tatsachenbehauptung jegliche Auskunft. Zusammen mit der Tatsache, dass es sich bei Patrashunde um keine gemeinnützige Organisation handelt, ist von Spenden an die Privatperson Renate Düser abzuraten.

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