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Für eine bessere Spendenkultur
3/11/2011 von Karin Burger
Archivtext

Tierschutzverein Sulingen e.V.

Engagierte Tierschutzarbeit an der Basis

Freundlicher Empfang für Besucher
Bild: TSV Sulingen

Die Sulinger Tierschützer mit ihrem Tierheim Lindern im niedersächsischen Landkreis Diepholz sind ein kleiner, bescheidener Verein. Ihr Tagesgeschäft ist ebenso unspektakulär wie wichtig. Im Herbst vergangenen Jahres geriet der Verein durch die Aufnahme der beim Gnadenhof Momo von den Behörden beschlagnahmten Hunde bundesweit in den Fokus der Aufmerksamkeit. Nachdem dieser Aufruhr wieder abgeklungen ist, widmen sich Marita Görges und ihr Team wie zuvor dem Tagesgeschäft unter den schwierigen Bedingungen begrenzter Mittel in alter Bausubstanz. Seine Zahlen hat der Verein nach der CharityWatch-Anfrage sofort offengelegt. Der Empfang bei einem Besuch vor Ort war sehr herzlich und offen.

100 Hunde. Im November 2010 kam es im Landkreis Diepholz zu einer spektakulären Beschlagnahme von rund 100 Hunden bei den Tierschützern des Gnadenhof Momos in Dörrieloh. Bei der schwierigen Aufgabe des Veterinäramts, für diese Hunde eine erste zuverlässige Unterbringungsmöglichkeit zu finden, entschied sich die zuständige Amtstierärztin Dr. Anja Eisenack für das Tierheim Lindern. Dorthin wurden die beschlagnahmten und teilweise in schlechtem Zustand befindlichen Tiere gebracht, wo sie tierärztlich begutachtet und versorgt wurden. Anschließend wurde ein Großteil dieser Hunde auf weitere Tierheime in Deutschland verteilt. Bis es jedoch so weit war, hatte das kleine Team in Lindern alle Hände voll zu tun, zumal einige der beschlagnahmten Hündinnen auch noch trächtig waren und die Tierschützer mit 20 Welpen beglückten. Diese Großaktion hat Schäden an der Substanz des Tierheims hinterlassen, von denen die Sulinger bisher noch nicht wissen, wie sie diese beheben können.

Sonderfall Skippy. Dass es eine sehr undankbare Aufgabe sein kann, den völlig verwahrlosten Hundebestand von anderen Tierschützern übernehmen zu müssen, zu dieser bitteren Erkenntnis wurde auch den Sulingern in den letzten Monaten verholfen. Herbe Kritik etwa gab es für einen Spendenaufruf für die geplante Augenoperation des beschlagnahmten und blinden Hundes Skippy. Die vorherigen Eigentümer, das Ehepaar B., hatten auch schon für diesen Zweck Spenden eingetrieben. Nur: Der Hund wurde nie operiert. Dabei hat er eine echte Chance: Die aktuelle Untersuchung bei Augenspezialisten im Gesundheitszentrum Grussendorf ergab, dass der Rüde auf Hell-Dunkel reagiert. Die Netzhaut ist in Ordnung. Vor der geplanten Operation wird in Narkose noch eine Ableitung der Sehnerven gemacht. Nach tierärztlichem Befund gibt es keinen Hinweis dafür, dass der Sehnerv selbst geschädigt ist. Die Sulinger Tierschützer möchten dem Hund diese Chance nicht verwehren.

Entspannt. Angenehm auffallend beim Besuch von CharityWatch.de in Lindern war die entspannte Atmosphäre im Tierheim. Die kompetente Betreuung, vertraute Abläufe und die routinierten Betreuer geben den Hunden spürbar so viel Sicherheit, dass sie sich in diesem Tierheim wach, interessiert, offen, aber vollkommen entspannt zeigen. Der ganze Komplex ist freundlich sauber, ohne durch künstliche Sterilität Einschränkungen für die Tiere befürchten zu lassen. In jeder Ecke sieht man, mit wie viel Engagement die Mitglieder des Vereins versuchen, die Defizite der alten Bausubstanz zu kompensieren. Den Hunden stehen großzügige Außenflächen, eine Spielwiese und ein befestigter Innenhof für das Toben in der Gruppe zur Verfügung. Die Katzenräume sind blitzsauber und liebevoll mit Versteckmöglichkeiten, gepolsterten Liegeflächen und Spielzeug ausgestattet.

Betriebsseele. Den knapp 400 Mitgliedern des Sulinger Tierschutzvereins steht Marita Görges seit 1987 als erste Vorsitzende vor. Sie ist Tierschützerin mit Leib und Seele. Über dem Engagement für Tiere vergisst Görges auch die Menschen nicht. Sie wird ob ihrer zwischenmenschlichen Kompetenz von vielen Seiten gelobt. Und für die Tierfreunde und ihr Team übernimmt sie auch soziale Verantwortung. So verwundert es nicht, dass sich im Tierheim neben den Festangestellten und einer Auszubildenden bis zu 20 Ehrenamtliche einbringen.

Finanzen. Beim Tierschutzverein Sulingen gab es kein Zögern, als CharityWatch.de Jahresberichte und Zahlen anforderte. So standen im Jahr 2009 den Einnahmen von 98.709 Euro Ausgaben in Höhe von 99.328 Euro gegenüber. An Spenden wurden über 20.000 Euro vereinnahmt, ohne spektakuläre oder gar kostenintensive Aktionen zu betreiben. Keine Ausgaben für Werbung. Auch durch die Tiervermittlung kamen noch einmal über 15.000 Euro in die Kasse. Die Sulinger lassen die Kommune nicht aus der Verantwortung und konnten 2009 für die Fundtierverwaltung weitere über 20.000 Euro einnehmen.
Der dickste Ausgabenposten sind die Tierarztkosten mit 31.402 Euro. Bei den Futterkosten kommen die Sulinger mit insgesamt 7.493 Euro deshalb so günstig davon, weil auch dieses Tierheim von den Futtermittelspenden eines industriellen Großsponsors profitiert. Die Personalkosten liegen bei 14.682 Euro im Jahr und geben in dieser Höhe keinen Anlass zur Beanstandung. Um die alte Substanz so gut wie möglich zu erhalten, wurden weitere knapp 5000 Euro in Instandsetzungsmaßnahmen investiert. Dass weder die Kassenprüfung bei der letzten Mitgliederversammlung noch CharityWatch.de einen Kritikpunkt in dieser soliden Buchhaltung finden kann, ist für die Sulinger selbst keine Überraschung.

Satzungsreform. Ein besonderer Glücksgriff für diesen Verein ist deren zweiter Vorsitzender, der Jurist Dr. Jan Weise. Und er ist aus der Mitte des Vereins in diese Position hineingewachsen, engagierte er sich doch schon als Teenager im Tierheim. Seiner Initiative ist die dringend fällige Satzungsreform zu danken. Der neue Entwurf steht fest. Darin werden weitere Kontrollebenen wie etwa ein Aufsichtsrat eingezogen. Über diesen Entwurf wird die diesjährige Mitgliederversammlung abstimmen. Darüber hinaus bezeugt auch diese Initiative, dass der Sulinger Tierschutzverein sich professionell für die Zukunft rüstet.

Kritikpunkt. Keine lässliche Sünde, aber mit personellem Sachzwang von den Verantwortlichen erklärt, ist die formaljuristisch zu beanstandende Tatsache, dass die erste Vorsitzende Marita Görges zeitgleich bei sich selbst angestellte und bezahlte Tierheimleiterin ist. Sie bezieht ein monatliches Brutto von rund 1.400 Euro für einen mehr als Acht-Stunden-Tag im Tierheim. Auf die Problematik dieser Konstellation und ihre Verpflichtung zum Ehrenamt angesprochen, entgegnet Görges: „Den Vorstand mache ich ja ehrenamtlich.“ Der zweite Vorsitzende Dr. Jan Weise will dieses Problem nach der jetzt anstehenden Satzungsreform angehen, sieht jedoch schlicht Personalprobleme. Wie andere klassische Vereine auch, hat der Tierschutzverein Sulingen ein echtes Nachwuchsproblem. Und als Seele sowohl von Verein wie Tierheim sehen die Verantwortlichen Marita Görges in keiner Funktion verzichtbar.

Dringender Bedarf. Die beschlagnahmten Hunde aus Dörrieloh haben der alten Bausubstanz in Lindern nicht gut getan: defekte Zäune, beschädigte Außenzwinger verwüstete Außenanlagen. Hier braucht der Verein dringend Hilfe, die sich ganz konkret in zur Verfügung gestellte Baumaterialien und installierende Arbeitskraft ergießen kann.

CW-Meinung. Der Tierschutzverein Sulingen e.V. mit seinem Tierheim Lindern ist ein klassischer, regional verwurzelter Verein, der das tierschützerische Tagesgeschäft – Fundtierverwaltung, Pensionstiere, Igel – betreibt. Die Sulinger treten bescheiden auf und verzichten auch bei ihrer Internetpräsenz auf Spenden heischende Gräuelberichte und Schreckensbilder. Die Herkulesaufgabe der Beschlagnahmung im November 2010 haben sie tadellos gemeistert, ohne damit lautstarke Eigenwerbung für sich zu betreiben. Transparenz ist für die Sulinger Tierfreunde eine Selbstverständlichkeit. Und die vorliegenden Zahlen sind so seriös, dass es auch keinen Grund gibt, sie geheim zu halten. Trotzdem darf das formaljuristische Defizit einer quasi bei sich selbst als Tierheimleiterin angestellten ersten Vorsitzenden nicht einfach unter den Tisch fallen. Wenn dieses Manko behoben ist, steht einer Empfehlung durch CharityWatch.de nichts mehr im Wege.