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Für eine bessere Spendenkultur
9/21/2010 von Stefan Loipfinger
Archivtext

ChildFund Deutschland e.V.

Spendensiegel trotz Spendertäuschung

Den Spendern wird viel versprochen
Bild: ChildFund Jahresbericht 2009

„ChildFund Deutschland setzt auf Ehrlichkeit und Fairness.“ Das klingt vielversprechend. Sie bezeichnet sich selbst als „besonders seriöse gemeinnützige Organisation“ und wirbt mit dem DZI-Spendensiegel. Geschäftsführer Jörn Ziegler und die Präsidentin Dr. Barbara Holzbaur beschreiben im Jahresbericht 2008 stolz, „dass 88,6 Prozent der Spendeneinnahmen für satzungsgemäße Zwecke des Vereins ausgegeben wurden“. Doch wer etwas genauer hinter diese Hochglanzfassade blickt, stellt ganz anderes fest: Die Finanzzahlen im Detail sind geheime Verschlusssache. Das DZI Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen gibt ebenfalls nicht bekannt, wie sich die Ausgaben zusammensetzen. Doch selbst die vom DZI angegebene Bandbreite der Verwaltungs- und Werbekosten fällt mit „vertretbar“ (20 bis 35 Prozent) ganz anders aus, als es ChildFund selbst angibt. Die Spender wurden also getäuscht – mit Billigung durch das DZI.

ChildFund. Seit über 30 Jahren bemüht sich ChildFund, Kindern und jungen Menschen zu einem „selbstbestimmten, aktiven Leben“ zu verhelfen. Vor allem durch Patenschaften werden derzeit bedürftige Kinder in 38 Ländern unterstützt. Im Vorjahr wurde der Name von CCF Kinderhilfswerk in ChildFund Deutschland geändert, um die Zugehörigkeit zur internationalen ChildFund Alliance zu dokumentieren. Seit 1995 trägt die Organisation das DZI-Spendensiegel. Sie ist außerdem Mitglied im Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungs-Organisationen (VENRO) und dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband.

VENRO. In den Prinzipien von VENRO heißt es: “VENRO-Mitglieder verpflichten sich, offen, wahrhaftig und umfassend über ihre Arbeit, Aktivitäten, Finanzen und Strukturen Rechenschaft abzulegen.“ Bezüglich der Kommunikation, vor allem im Hinblick auf die Verwendung der Spendengelder wird vorgegeben, dass diese „eindeutig und konsistent“ sein muss. Ausdrücklich verboten ist es, Spenderinnen und Spender arglistig zu täuschen. Zum Finanzbericht ist vorgegeben, dass die Angaben zu Projektausgaben, Werbe- und Verwaltungskosten und anderen Finanzzahlen gemäß DZI-Richtlinien erfolgen sollen.

Jahresbericht 2008. Entgegen der VENRO-Vorgabe wird im Bericht 2008 von 6,4 Prozent Verwaltungskosten und 4,3 Prozent Akquisitionsaufwand berichtet. Laut DZI-Richtlinien liegt der korrekte Wert allerdings zwischen 20 und 35 Prozent und damit beim Doppelten bis Dreifachem! Wie hoch genau, kann ein Spender nicht nachvollziehen. Das DZI behandelt genauere Daten vertraulich und verweist auf die Organisation selbst. Antje Becker von ChildFund verweigerte allerdings genauere Angaben.

DZI. CharityWatch.de befragte das DZI zu diesem Widerspruch. DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke verwies Ende 2009 auf das letzte Prüfungsjahr 2007, in dem angeblich keine irreführende Aussage vorlag. Gleichzeitig kündigte er damals die „in Kürze“ durchzuführende Prüfung des Jahres 2008 an. Im September 2010 kam nun die Auskunft, die Prüfung des Verlängerungsantrages für das Jahr 2008 ist abgeschlossen und das Siegel erneut zuerkannt worden. Er räumt allerdings ein: „Die niedrigeren Angaben im Jahresbericht 2008 des Vereins waren aus unserer Sicht nicht ohne Weiteres nachvollziehbar.“ Bezüglich der Werbe- und Informationsmaterialien sieht er „in mehrfacher Hinsicht Verbesserungsbedarf“. Das DZI schreibt deshalb in seiner Einschätzung zu ChildFund: „Werbung und Information sind hinreichend wahr, hinreichend eindeutig und hinreichend sachlich.“ Übrigens im Vorjahr, als laut Wilke noch kein Widerspruch vorlag, schrieb das DZI: „Werbung und Information sind überwiegend wahr, überwiegend eindeutig und hinreichend sachlich.“

Jahresbericht 2009. Nachdem das DZI sowie ChildFund die Kritik von CharityWatch.de seit fast einem Jahr kennen, wurde im aktuellen Bericht nun überhaupt keine Kostenquote mehr veröffentlicht. Damit verstößt ChildFund erneut gegen die VENRO-Vorgabe. Jörn Ziegler stört das nicht und er nutzt die angebliche Bindung an den VENRO-Verhaltenskodex sogar werblich. Attribute wie Transparenz, Ehrlichkeit und Fairness sollen zum Spenden animieren. Auf Seite sieben wird beschrieben: „ChildFund Deutschland veröffentlicht seine Jahresrechnung einschließlich der Bilanz, einer Übersicht über die Aufwandsverteilung (Verwaltungsaufwand, Aufwand für Mittelerwerb, Ausgaben für satzungsgemäße Zwecke) und einer detaillierten Erfolgsrechnung im Rahmen seines Jahresberichts.“ Eine Angabe zur Kostenquote fehlt allerdings. Antje Becker bestätigte dieses Versäumnis und ergänzte, dass dies im nächsten Bericht zu ändern sei. Zur Kostenquote führte sie dann erneut irreführend aus: „In Bezug zu den Gesamteinnahmen liegen wir im Wirtschaftsjahr 2009 bei einem Verwaltungs- und Geschäftsführungsanteil von 6,3 Prozent sowie einem Kostenanteil für das Einwerben von Mitteln von 3,3 Prozent.“

Fundraising. Ende 2009 fragte CharityWatch.de nach den Kosten für das Fundraisingunternehmen SAZ und den Einnahmen aus deren Aktionen. Antje Becker bestätigte daraufhin die Zusammenarbeit mit dem in St. Gallen ansässigen Dienstleister, verweigerte allerdings konkrete Angaben. Die Prüfung der Angemessenheit von Kosten/Nutzen-Relationen wäre nicht Aufgabe der Öffentlichkeit. Dabei war die Frage wohl doch mehr als berechtigt, wie ein Hinweis im aktuellen Jahresbericht nun zeigt: „…dass angesichts unvertretbar hoher Kosten-Nutzen-Relationen bei der Patenschaftswerbung von geplanten Werbeaktionen weiterhin Abstand genommen wurde.“

Fragen. Für eine Organisation mit fast zehn Millionen Euro Einnahmen im Jahr ist die Informationstiefe des Jahresberichts beschämend. Die Angabe der satzungsgemäßen Ausgaben in einem Betrag ist keinesfalls ausreichend, da in der Satzung auch die Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung in Deutschland als Vereinsziel definiert ist. Kosten für Bettelbriefe und andere Sammelaktionen können deshalb zum Teil als Satzungsausgabe verbucht werden. Außerdem wäre es entscheidend zu wissen, wie viel Geld in die mehrstöckige Struktur über die US-amerikanische ChildFund International fließt und welche Kosten dort entstehen. Solche Fragen beantwortet der Jahresbericht allerdings nicht, obwohl er sogar von „maximaler Transparenz“ spricht.

CW-Meinung. 265 Organisationen tragen das gleiche Spendensiegel. Trotzdem unterscheiden sich diese gewaltig in ihrer Qualität. Das betrifft die Höhe der Verwaltungskosten ebenso wie die Ehrlichkeit bei der Spendenwerbung. Die vergleichbare Verbraucherorganisation Stiftung Warentest erlaubt zum Beispiel den geprüften Produktherstellern eine Werbung mit der Auszeichnung nur unter Hinweis auf vorgenommene Qualitätsabstufungen. Von der Transparenz im Hinblick auf die Prüfergebnisse ganz zu schweigen. Vielleicht hängt es mit der unterschiedlichen Finanzierung zusammen? Denn die Stiftung Warentest lässt sich nicht vom Hersteller für die Prüfung bezahlen. Eine den Prüfern bekannte Verbrauchertäuschung würde vielleicht deshalb bei der Stiftung Warentest stärker in das Prüfergebnis einfließen. So ist es auch bei CharityWatch.de. Verweigerung von aussagekräftigen Finanzzahlen sowie Täuschung der Spender kann nur zu einer Warnung führen. Außerdem: Hier kann jeder transparent den Grund dafür nachlesen und selbst entscheiden, ob er diese Meinung teilt oder nicht.