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9/15/2010 von Karin Burger
Archivtext

Tierheimtest: Tierschutzverein Ravensburg-Weingarten

Phantastisch, Verboten, Schwarz

So ähnlich ist die Aussicht der Hunde im Tierheim Ravensburg
Bild: © insa krey - Fotolia.com

Ein großes Einzugsgebiet mit 29 Gemeinden betreut der Tierschutzverein Ravensburg-Weingarten und Umgebung. In der Gemeinde Berg unterhält der Verein sein Tierheim, das 2007 den mit einem Investitionsvolumen von 450.000 Euro bewältigten Umbau und die Sanierung der Altsubstanz abschloss. Das Tierheim Berg bietet ein sehr vielschichtiges Bild mit großen Ambivalenzen: Die Katzenhaltung ist einfach phantastisch. Die Innenzwinger bei den Hunden sind in der aktuellen Größe schlicht verboten. Und bei allem, was mit konkreten Zahlen zu tun hat, wird es beim Tierschutzverein Ravensburg rabenschwarz. Der Vorstand verweigert CharityWatch.de den Einblick in seinen Geschäfts- und Jahresbericht.

Tierheim. Das Tierheim Berg des Tierschutzvereins Ravensburg wird straff geführt. Der erste Vorsitzende Josef-Franz Schaller, der dieses Jahr seinen 70. Geburtstag feierte, garantiert durch tägliche Anwesenheit im Tierheim und in enger Kooperation mit dem Tierheimleiter Dragos Margaritaru Sauberkeit und Ordnung. In jeder Ecke dieses Tierheims kann man ohne geruchliche Irritationen vom Boden essen. Alles hat seinen Platz und steht dort stramm. Als besondere Innovation findet sich im gesamten Tierheim ein spezieller Bodenbelag, wie er auch in Tierversuchslabors verwendet wird. Dieser sehr teure Belag ist gut zu reinigen und zu desinfizieren, isoliert und macht eine beeindruckende Optik. Überdies bietet dieses Tierheim interessante Innovationen: Für die Erstbegegnung zwischen Interessenten und Tierheim-Hund gibt es ein eingezäuntes Areal mit Sitzgelegenheiten, wo sich Tierfreunde in aller Ruhe mit ihrem potenziellen neuen Familienmitglied vertraut machen können. Für die sehr gute Kooperation mit dem Staatlichen Veterinäramt hat der Tierschutzverein Ravensburg ein eigenes Formular entwickelt, auf dem schon beim Erstkontakt mit Tierschutzfällen alle relevanten Daten erfasst und der Vorgang erst bei hartnäckigeren Fällen dann an die Fachbehörde weitergeleitet wird - vorbildlich.

Katzenparadies. Der Schwerpunkt des TSV Ravensburg liegt erkennbar bei den Katzen. Die verschiedenen Gehege sind ebenso funktional wie liebevoll eingerichtet. Jede Menge Spielzeug, Klettermöglichkeiten, Verstecke, Kuschelplätze, Aussichtsplattformen versüßen den Feliden die Wartezeit auf ein neues Zuhause. Alle (!) Katzen sehen blendend aus: glänzendes Fell, trockene Augen, weder zu dick noch zu dünn, vital, interessiert. Das Tierheim beherbergt derzeit saisongemäß einen hohen Anteil von Jungkatzen.

Hundehölle. Gebaut wurde das Tierheim Anfang der 70er Jahre. Damals galten noch ganz andere Standards für die Unterbringung der Tiere. Schon längst gibt es eine so genannte Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV), welche die baulichen Voraussetzungen mit Mindestmaßen festlegt. In der aktuellen Version vom 2. Mai 2001 schreibt diese als absolutes Mindestmaß für Hundezwinger sechs Quadratmeter Bodenfläche vor. Dieses Mindestmaß erhöht sich für Hunde über einer Widerristhöhe von 50 bis 65 cm auf acht, für Hunde über 65 cm sogar auf zehn Quadratmeter. Die Hunde-Innenzwinger im Tierheim Berg haben laut Auskunft des ersten Vorsitzenden alle das Maß 270 x 175 cm. Das sind 4,73 Quadratmeter – also weit unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestmaß. Ein großrassiger Hund im Tierheim Berg muss sich also auf weniger als die Hälfte der gesetzlich vorgeschriebenen Mindest-Bodenfläche zusammenfalten.

Verordnungsverstöße. Durch den tierheimüblichen Durchlass (Klappe) hindurch haben die Ravensburger Hunde dann Zutritt zu einem Außenzwinger, der wahlweise für zwei oder einen Hund zugänglich gemacht werden kann. Bei schlechter Witterung und im Winter können die meisten Tierheime ihren Hunden nur bedingt und kurzzeitig Zugang zu den Außenzwingern gewähren, weil sonst die gesamte Heizwärme durch die Klappen entweicht. Auch nachts müssen die Hunde der meisten Tierheime aus Lärmschutzgründen auf ihre Außenzwinger verzichten. Die oben zitierten Mindestmaße aber beziehen sich auf die Fläche, die für die Hunde zeitlich „uneingeschränkt (Paragraph 6 Absatz 3 TierSchHuV) benutzbar“ ist. Damit sind die Misslichkeiten der Ravensburger Tierheim-Hunde aber noch nicht zu Ende. Denn es lassen sich weitere Verstöße gegen die Verordnung feststellen: „Mindestens eine Seite des Zwingers muss dem Hund freie Sicht nach außen ermöglichen. Befindet sich der Zwinger in einem Gebäude, muss für den Hund der freie Blick aus dem Gebäude heraus gewährleistet sein.“ Nicht so im Tierheim Berg. Die Hunde dort gucken auf allen vier Seiten nur gegen Wände. Sie können im Innenzwinger auch andere Hunde nicht sehen und haben keinerlei optische Reize und Anregungen.

Fragen. Das Staatliche Veterinäramt Ravensburg konnte auf telefonische Anfrage von CharityWatch.de nicht erklären, wie es zu der Diskrepanz zwischen TierSchHuV und den Maßen der von den Verantwortlichen des Tierschutzvereins als „Ruheboxen“ bezeichneten Innenzwinger kommt. Der zuständige Amtsveterinär hatte während des Telefonats die gesetzlichen Vorgaben nicht einmal parat. Für eine Abklärung dieses Sachverhalts wurde kein definierter Zeitrahmen genannt. Aber unabhängig davon erhebt sich die Frage, warum bei einem doch beträchtlichen Investitionsvolumen von 450.000 Euro für Umbau und Sanierung keine artgerechten Hundeinnenzwinger eingerichtet wurden? Und wie kann die zuständige Fachbehörde eine Betriebsgenehmigung erteilen, wenn die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden? Auch die Belegung des Tierheims mit Hunden zum tierschützerischen Saisonhöhepunkt um die Sommerferienzeit ist erstaunlich niedrig: Bei einer Maximalkapazität von 25 Hunden befanden sich am 25. August 2010 (Ferienzeit!) nur sieben Hunde im Tierheim Berg, das als durchschnittliche Belegung 15 bis 16 Hunde angibt. Auch der hervorragende Zustand der als „Spielwiesen“ vorgestellten Freiareale nach einer mehrwöchigen regenreichen Witterungsperiode erstaunte.

CW-Meinung. Der Empfang im Tierheim Berg war freundlich und es wurde Zugang zu allen Bereichen gewährt. Die Zusendung des erbetenen Geschäfts- und Jahresbericht mit Finanzzahlen für das Jahr 2009 wurde bei diesem Besuch zugesagt. Knapp zwei Wochen später teilte der Tierschutzverein Ravensburg allerdings schriftlich mit, dass der Vorstand die Zusendung des Kassenberichts ablehnt. Dabei werfen die wenigen bisher vorliegenden Zahlen schon erhebliche Fragen auf: Wofür im Einzelnen wurden die 450.000 Euro beim Umbau verwendet, wenn keine vorschriftsmäßigen Hundezwinger möglich waren? Wie erklärt sich die erhebliche Differenz zwischen Futterkosten in Höhe von 18.000 Euro für alle Tiere im Tierheim zu den 52.000 Euro Tierarztkosten im Jahr 2009? Die Tierarztkosten betragen hier das 2,8-fache der Futterkosten. Die Höhe der Tierarztkosten gewinnt weitere Bedenklichkeit angesichts der Auskunft, dass die Hunde des Tierheims Berg obligatorisch nicht kastriert werden; selbst die Hündinnen nicht. Die Satzung des Vereins datiert von 1982 und ist vollkommen veraltet. Für eine moderne Vereinsführung dringend notwendige Festlegungen und Bestimmungen fehlen. Die beiden Vorsitzenden sind beispielsweise ohne Ausgabenbegrenzung oder dem genehmigenden Votum der Mitgliederversammlung vertretungsberechtigt.

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