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Für eine bessere Spendenkultur
9/6/2010 von Mia Bruckmayer
Archivtext

Haiti-Kinderhilfe e.V.

Ein Anker für Kinder aus Haiti

Unterricht auf der Straße
Bild: Haiti-Kinderhilfe e.V.

Sie arbeiten ehrenamtlich. Ihre Verwaltungskosten belaufen sich auf weniger als ein Prozent. Die Mitglieder der Haiti-Kinderhilfe e.V. nehmen ihren Auftrag ernst. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe durch Schul- und Ausbildungspatenschaften. Daneben unterstützen sie den Bau von Schulen und betreuen Kinder, die an fremde Familien verkauft wurden. Die einheimische Bevölkerung binden sie bei all diesen Tätigkeiten immer direkt ein. So wollen sie sicherstellen, dass ihre Projekte eine nachhaltige Wirkung zeigen.

Haiti heute. Weltweit scheint das von Tropenstürmen und Erdbeben heimgesuchte Haiti für Spender ein Fass ohne Boden zu sein. Rund neun Millionen Menschen lebten im vergangenen Jahr auf der Insel, davon 65 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. Seit dem Erdbeben im Januar 2010 sind es deutlich mehr. Das Elend bewegte die Welt und öffnete viele Geldbörsen. Allein in Deutschland spendeten Bürger und Unternehmen rund eine viertel Milliarde Euro. Die Bundesregierung machte noch zusätzliche Gelder locker, die in das Gesamtpaket der internationalen Staatengemeinschaft einflossen – 9,9 Milliarden US-Dollar weltweite Hilfe in den nächsten Jahren. Doch wo ist das ganze Geld hingeflossen? Andreas Meisig, Vorstandsmitglied und Pressesprecher von Haiti-Kinderhilfe meint dazu, dass viele Gelder dafür verwendet worden wären, Haiti von seinen Staatschulden zu befreien. Große Organisationen hätten außerdem einen hohen Verwaltungsaufwand und müssten Gehälter bezahlen. Die meisten Gelder seien bis jetzt nur bedingt in den Wiederaufbau geflossen. Ein Blick auf aktuelle Satellitenbilder zeigt eindeutiges: Zu sehen sind flächendeckend blaue Plastikplanen, die improvisierten Dächer der Einheimischen.

Zielsetzung. 1997 schlossen sich Eltern adoptierter haitianischer Kinder dem Verein Haiti-Kinderhilfe an. Sitz des Verbundes mit inzwischen 150 Mitgliedern ist Eichenau. Das Hilfswerk hat sich zum Ziel gesetzt, durch Patenschaften Kindern aus Haiti den Schulbesuch und eine Ausbildung zu ermöglichen. Die Analphabetenquote liegt bei 80 Prozent. Außerdem setzt sich die Haiti-Kinderhilfe für Ausbau und Ausstattung von Krankenhäusern und Schulen ein, prüft vor der Weitergabe von Spendengeldern jedoch erst die bürokratische und landesinnere Sachlage. Dazu fliegt ein Vorstandsmitglied jedes Jahr auf eigene Kosten nach Haiti. In Port-au-Price wurde 2004 für 100.000 Euro ein Krankenhaus erbaut. Heute ist es in der Lage sich selbst zu finanzieren. Es war in der Erdbebenregion das einzige vollständig funktionsfähige Krankenhaus. In außergewöhnlichen Notsituationen hilft der Verein Kindern, indem er für Therapien und Operationen aufkommt. In Deutschland fördern sie die Zusammenarbeit der haitianischen Adoptivkinder. Es werden Familien- und Weihnachtsfeiern veranstaltet, um den Zusammenhalt zu stärken und die landeseigenen Wurzeln spürbar werden zu lassen. Dafür werden allerdings keine Spendengelder verwendet.

Finanzen. Vorneweg: Verwaltungskosten gibt es fast keine. Alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Die Ausgaben für Porto und Büromaterial lagen in den letzten Jahren immer unter einem Prozent der Einnahmen, die 2007 bei 88.400 Euro lagen. Mit 43.700 Euro stammt der Großteil aus den Patenschaftsbeiträgen. Darauf folgen nicht zweckgebundene Spenden von 20.300 Euro. Die restlichen Spenden erschließen sich aus projektbezogenen Einnahmen sowie Spendenzuschüsse für Containertransporte von 800 Euro. Ausgegeben wurden insgesamt 99.500 Euro. Die Ausgaben stellen sich wie folgt dar: 61.800 Euro wurden für Schulgelder (Uniform, Lernutensilien, Speisung) ausgegeben. In das Restavek Projekt flossen 12.700 Euro. Die übrigen Beträge betreffen Ausgaben für projektbezogene Aktionen (Bauarbeiten an Schulen). So erhielt die Schule in San Marc einen Betrag von 10.000 Euro für einen Speisesaal und eine neue Toilettenanlage. Die in diesem Jahr zusätzlich benötigten 11.000 Euro stammen aus Rücklagen. 2008 belaufen sich die Gesamteinnahmen auf 75.600 Euro. Den größten Einnahmeblock bilden wieder die Patenschaften, gefolgt von nicht zweckgebundenen Spenden. Die Ausgaben werden mit 50.400 Euro angegeben. Knapp zwei Drittel sind in die Schulbildung der Kinder geflossen. Das Restavek Programm wird mit 10.200 Euro verbucht. Der übrige Betrag ist in diverse Bau- und Kleinprojekte geflossen, darunter Spielgeräte für ein Kinderheim. Die San Marc Schule wurde mit 3.200 Euro unterstützt, um den Bau des Speisesaals fertigzustellen.

Patenschaften. Es werden zwei verschiedene Möglichkeiten angeboten, um die Kinder mit Patenschaften zu unterstützen. Eine “persönliche Patenschaft” kostet jährlich 300 Euro. Mit diesem Betrag werden dem Kind Schulbücher, Schulspeisung und Schulunifom finanziert. Die Kinder halten Kontakt zu Ihren Pateneltern und schreiben Briefe oder Karten. 140 Kinder sind im Moment in solche Patenschaften eingebunden. Bei der “Pool- Patenschaft” werden regelmäßig selbst gewählte Beträge eingezahlt. Dieses Budget dient noch nicht vermittelten Kindern und Notfällen. Auch eine Mitgliedschaft ist möglich. Der Beitrag für Erwachsene beträgt 50 Euro, für Familien 60 Euro und für Jugendliche 30 Euro pro Jahr.

Projekt Restavek. „Restavek“ bedeutet soviel wie „Bleib bei Ihnen“. Das ist meist das Letzte, was ein Kind in Haiti von seiner Mutter hört, wenn es in eine andere Familie gegeben wird. Nach Angaben von Unicef sind es 500.000 Kinder, die ab einem Alter von drei Jahren als Restavek bei fremden Familien arbeiten müssen. Sie werden verkauft, weil die Eltern verarmt sind und ihrem Kind eine bessere Zukunft in der Stadt ermöglichen wollen. Nicht selten endet der Weg jedoch in Sklaverei, sexuellem Missbrauch und Ausbeutung. Haiti-Kinderhilfe hat es sich zum Ziel gesetzt Restavek Kindern aus den Fängen der Unterdrückung zu helfen. Der Verein vermittelt neue Gastfamilien für die Schützlinge oder überzeugt die bisherigen davon, dass auch sie von der (für sie) kostenlosen Bildung eines Restavek-Kindes profitieren, weil den Kindern in den Ausbildungszentren neben klassischen Unterrichtsfächern auch Hygiene, Ernährungslehre sowie handwerkliche und häusliche Fähigkeiten vermittelt werden. So kann sich ein billiger Kindersklave im Idealfall zu einem wertvollen und geschätzten Familienmitglied wandeln, wenigstens aber zu einer anerkannten Arbeitskraft.

Projekt Schulen. Im Juli 2010 wurde die Schule in San Marc, 150 Kilometer von Port-au-Prince entfernt, fertig gestellt. In Form eines Anbaus kamen in den Folgemonaten sechs neue Klassenräume hinzu. Die Schule bietet Platz für 600 Kinder. In dem großen Speisesaal können die Kinder ihre sozialen Kontakte pflegen und bekommen jeden Tag eine warme Mahlzeit. Die Mütter der Kinder werden als Küchenhilfen beschäftigt. Ende 2009 wurde der Grundstock für eine Schule in Bellanger gelegt. Bellanger liegt 30 Kilometer nördlich von Port-au-Prince. Das Erdbeben im Januar 2010 unterbrach die Bauarbeiten, doch im März 2010 wurden sie wieder aufgenommen. Es handelt sich um eine erdbebensichere Bauweise mit stabilen Stahlbetonkonstruktionen. Die Grundschule wird voraussichtlich nächstes Jahr fertig gestellt. Sie bietet die Möglichkeit, 500 Kinder im Schichtverfahren zu betreuen. „Die Haitianer sind Weltmeister im Improvisieren”, so Barbara Meisig, Vorsitzende von Haiti-Kinderhilfe, die mit ihrem Mann selbst zwei Kinder aus Haiti adoptiert hat. Im Moment werden die Kinder auf dem Boden des Schulgeländes sowie in der naheliegenden Kirche unterrichtet. Schuluniform und die notwendigen Lernutensilien stellt der Verein bereit. Warme Speisen werden für die Kinder in der als eine der ersten Räumlichkeiten bereits fertig gestellten Küche zubereitet.

Therapeutengruppe. Der 12. Januar 2010, der Tag des Erdbebens, erschütterte nicht nur die Erde und ließ Gebäude einstürzen. Er traumatisierte auch die gesamte Bevölkerung. Seit damals macht sich die fünfköpfige Therapeutengruppe “Start“ aus Deutschland regelmäßig auf den Weg nach Haiti. Sie wird von der Haiti–Kinderhilfe finanziell unterstützt, damit Kinder und Jugendliche bei der Aufarbeitung und Ausheilung ihrer Traumata professionelle Betreuung erhalten.

CW-Meinung. Haiti-Kinderhilfe bemüht sich sehr um die Nachhaltigkeit seiner Investitionen und setzt sich für die Hilfe zur Selbsthilfe ein. Die Schulabgänger werden in eine Ausbildung begleitet oder mit Fördergeldern unterstützt, um ihnen ein Studium zu ermöglichen. Dies soll den Grundstein für ein abgesichertes Leben des Einzelnen legen und so zur Stabilisierung des Landes beitragen. Einige dieser ehemaligen Schüler und Patenkinder arbeiten heute für das Projekt und setzten ihre erworbenen Fähigkeiten im Sinne der Haiti-Kinderhilfe ein. Ziel des Vereins ist die langfristige Verbesserung der Lebenssituation Einzelner durch die Vermittlung von Schul- und Ausbildungspatenschaften. Nur eine verlässliche Finanzierung kann später in Eigenständigkeit übergehen. Der Vorstand des Vereins wirtschaftet mit den Spendengeldern bedacht und überprüft die Projekte vor Ort genau. Der Familie Meisig und allen anderen Mitgliedern liegen der Wiederaufbau des Landes und das Wohl jedes einzelnen Kindes am Herzen. Inzwischen haben sich viele Organisationen aus Haiti wieder zurückgezogen. Die Situation jedoch änderte sich kaum. Haiti-Kinderhilfe ist weiterhin vor Ort, denn für sie zählt die Zukunft jedes einzelnen Kindes.