Für eine bessere Spendenkultur
6/5/2009 von Stefan Loipfingerdrucken
Archivtext

Aktion Tier – ehemals Deutsches Tierhilfswerk

Undurchsichtig und wenig Geld für Tierschutz

Ein Veruntreuungsskandal durch den damaligen Vereinsvorsitzenden bestimmte jahrelang die Schlagzeilen zum DTHW Deutschen Tierhilfswerk. Im Dezember 2005 beschloss die Mitgliederversammlung schließlich die Änderung des Vereinsnamens auf Aktion Tier – Menschen für Tiere. Trotz der negativen Erfahrungen ist der heute noch 210.000 Mitglieder zählende Verein nicht transparent geworden. Bei konkreten Anfragen von CharityWatch.de hüllten sich der Vorstandsvorsitzende Holger Knieling und seine Kollegen in Schweigen. Die Vereinseinnahmen in Höhe von jeweils gut zwölf Millionen Euro in 2006 und 2007 sind grundsätzlich streng vertraulich. Noch mehr gilt das für die Ausgaben. Trotzdem konnte CharityWatch.de einiges recherchieren, das in Summe kein gutes Bild auf den Verein und seine Führung wirft.

Vorgeschichte. Wolfgang U. war langjähriger Vorsitzender beim Deutschen Tierhilfswerk e.V. und hat als solcher einen der größten Spendenskandale Deutschlands ausgelöst. Anfang 2001 hatte das DTHW laut Protokoll einer Mitgliederversammlung 263.037 Mitglieder. Dieses Protokoll besagt auch, dass die Gelder zu Zeiten von Wolfgang U. zu „weniger als zehn Prozent für den aktiven Tierschutz“ ausgegeben wurden. Der Großteil verschwand über ein Firmennetz in verschiedenen Taschen. Ob und mit welchem Erfolg das geschädigte Tierhilfswerk Schadensersatz bei den Verantwortlichen geltend machte, wurde auf Anfrage nicht beantwortet. 2003 verurteile das Landgericht München Wolfgang U. wegen Veruntreuung von Vereinsgeldern in Höhe von 30 Millionen Euro zu zwölf Jahren Haft. In 2006 wurde er nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe auf Bewährung entlassen. Sein Anwalt Heinz B. nutzte die Haftzeit von Wolfgang U., um sich an dessen Vermögen zu bereichern. Rund 3,4 Millionen Euro schaffte er beiseite und kassierte dafür sechseinhalb Jahre Haft.

Jahreszahlen. Trotz des Skandals ist auch der neue Vorstand nicht bereit, der Öffentlichkeit Finanzzahlen zur Verfügung zu stellen. Dennoch liegt CharityWatch.de eine Präsentation der Jahresrechnung 2007 des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers Detlef Ortseifen vor, die aus gut informierten Kreisen stammt. Demnach wurden von 13,15 Millionen Euro Gesamtaufwendungen 9,48 Millionen Euro oder 72,1 Prozent für „satzungsgemäße Aufwendungen“ verbucht. Von diesen satzungsgemäßen Aufwendungen wurde der Großteil in Höhe von 5,87 Millionen Euro wiederum für „Aufklärung und Prävention“ ausgegeben. Die Zeitschrift „Mensch und Tier“ schlägt mit 735.000 Euro zu Buche. Nach Abzug weiterer 425.000 Euro für „sonstige Maßnahmen“ blieben für „Zuwendungen an Tierheime und Kooperationspartner“ gerade einmal 2,46 Millionen Euro übrig - noch weniger als im Vorjahr. Gemessen an den Gesamtaufwendungen waren das 18,7 Prozent.

Kooperationspartner. Ebenso wie die Jahreszahlen kommentierte Aktion Tier die Zahlen zu den 180 Kooperationspartnern nicht. Angeblich erhalten nur noch die Hälfte der Kooperationspartner eine monatliche Unterstützung. Den größten Geldempfängern geht es aber sehr gut: Die Rumänientierhilfe und Tierheim-Tierhilfe von Sigurd Tenbieg sollen 288.000 Euro im Jahr erhalten. SOS Projects von Renate Thyssen-Henne dürfte gut 200.000 Euro im Jahr bekommen. Bei der Tierrettung München mit Dr. Evelyne Menges im Vorstand kommen angeblich fast 160.000 Euro pro Jahr zusammen.

Organe. Mitgliedschaftsrechte können bei Aktion Tier grundsätzlich nur über die Delegierten ausgeübt werden. Des Weiteren sind Wahlvorschläge spätestens zwei Wochen vor der alle drei Jahre statt findenden Mitgliederversammlung schriftlich einzureichen. Die ordentlichen Delegiertenversammlungen finden jährlich statt und nehmen zum Beispiel den Jahresbericht des Vorstandes und den Bericht des Wirtschaftsprüfers entgegen. Auch die Wahl und Abberufung von Vorständen sowie Satzungsänderungen werden von den Delegierten beschlossen. Zudem wählen die Delegierten den fünfköpfigen Beirat, der den Vorstand in allen wichtigen Vereinsangelegenheiten berät. Die Funktion der Delegierten ist deshalb ganz entscheidend. Wohl auch deshalb tauchen auf der CharityWatch.de vorliegenden Liste mit 69 Namen sehr viele Personen auf, die direkt oder indirekt Geld von Aktion Tier beziehen.

Service94. Frank Kroll mit seiner Service 94 GmbH aus Großburgwedel bei Hannover ist gut bekannt bei Aktion Tier. Die Agentur für Sozialmarketing und Fundraising ist für diverse Non Profit Organisationen tätig. Das Geschäft läuft gut, wie der Jahresüberschuss in Höhe von 322.000 Euro für 2007 zeigt. Seit Ende 2007 ist Kroll Vorsitzender des fünfköpfigen Beirats von Aktion Tier. Auf der Delegiertenliste taucht sein Name ebenso auf wie der von Elke Kroll und Karin Brodkorb, der Prokuristin bei Service 94.

Moventis und Concept. Michael Reichhardt ist mit zwei Firmen bei Aktion Tier aktiv: Concept Öffentlichkeitsarbeit für Vereine GmbH und Moventis Büro für kreative Kommunikation und Datenverarbeitung GmbH. Beide Firmen sitzen in Berlin am Kaiserdamm 97. Das ist auch die Adresse der Geschäftsstelle von Aktion Tier in Berlin. Die Moventis-Mitarbeiterin Alexandra Diezemann, ebenfalls Delegierte, ist bei Aktion Tier redaktionell für Vieles zuständig. Reichhardt ist auch Delegierter und war bis Ende 2007 Vorsitzender des Beirats. Das dürfte seinen lukrativen Aufträgen nicht hinderlich gewesen sein. Immerhin hat Concept von 2005 bis 2007 insgesamt über 1,5 Millionen Euro Bilanzgewinn ausgewiesen.

Karo. Als Studenten gründeten 1991 Holger Knieling und Michael Reichhardt die Firma Karo GmbH. Heute sind laut Handelsregister Michael Reichhardt und Frank Kroll die Gesellschafter der Firma. Allerdings beteiligten sich die Herren Knieling, Kroll und Reichhardt zum 1. Mai 2001 als atypisch stille Gesellschafter, wodurch ihnen Anteile am Unternehmensgewinn zustanden. Seit Herbst 2008 ist Reichhardt als Geschäftsführer ausgeschieden. Als Liquidator fungiert nunmehr Holger Knieling.

Umzug. Aktion Tier verfolgt nach eigenen Aussagen das Ziel, „mit unkonventionellen und dynamischen Methoden effektiven Tier-, Natur- und Artenschutz zu betreiben“. Dass Arbeitnehmerrechte nicht dazu zählen, zeigt der geplante Umzug nach Berlin. Laut einem Bericht der Augsburger Allgemeinen wurde allen Mitarbeitern in der Zentrale in Ziemetshausen gekündigt. Das Angebot, künftig in Berlin zu arbeiten, war nicht wirklich eine Alternative. Nach dem Grund für den Umzug gefragt, hat Aktion Tier erneut nicht geantwortet. Gleiches gilt für die gestellten Fragen nach einem Sozialplan für die gekündigten Mitarbeiter oder deren Know-how, das bisher die ordnungsgemäße Mitgliederverwaltung sicherstellte.

CW-Meinung. Der wohl größte Spendenskandal Deutschlands führte beim Deutschen Tierhilfswerk nicht dazu, dass sich der neue Vorstand durch Transparenzbereitschaft von den zweifelhaften früheren Machenschaften abgrenzt. Hinzu kommt die Weigerung, konkrete Fragen von CharityWatch.de zu beantworten. Dabei gäbe es bei den hier schon dargestellten Zahlungsströmen sehr viel zu erklären. Auch die Entmachtung der Mitglieder durch die Delegiertenstruktur trägt nicht zum Aufbau von notwendigem Vertrauen bei. Echte Kontrolle und Einflussnahme der Förderer sind offenbar immer noch nicht gewünscht.

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