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Für eine bessere Spendenkultur
10/7/2010 von Stefan Loipfinger
Archivtext

ETN Europäischer Tier- und Naturschutz e.V.

Mercedes M-Klasse als Dienstwagen

Ein nobler Dienstwagen für Heinz Wiescher

Eine ungewöhnlich hohe Fluktuation ist ein sicheres Zeichen für Unstimmigkeiten innerhalb einer Organisation. Beim ETN Europäischer Tier- und Naturschutz gab es in letzter Zeit sehr häufige Wechsel bei Mandatsträgern, die offenbar stark mit dem herrschaftlichen Auftreten des Ehrenpräsidenten Heinz Wiescher zusammenhängen. Zweifel an der Vergabe von Vereinsgeldern werden immer lauter. Mehrere Personen haben sogar Anzeigen erstattet. Eine umfangreiche Anfrage von CharityWatch.de mit zahlreichen konkreten Vorwürfen wurde über Wochen verschleppt und ist bis heute unbeantwortet. In Verbindung mit dem kürzlich ausgesprochenem Sammlungsverbot der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier, das leider nur für das Bundesland Rheinland-Pfalz bindende Wirkung hat, sind bei dem millionenschweren Verein massive Zweifel an der ordnungsgemäßen Verwendung der Spenden und Mitgliedsbeiträge angebracht.

ADD. „Trotz mehrfacher Aufforderungen ist der Verein seinen gesetzlichen Auskunftspflichten im sammlungsrechtlichen Verfahren nicht nachgekommen, so dass eine satzungsgemäße Verwendung der Spendengelder nicht sichergestellt ist.“ Mit diesem zentralen Satz hat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion aus Trier das Ende August verkündete Sammlungsverbot für Rheinland-Pfalz begründet.

Wiescher. Heinz Wiescher hat jahrelang die Geschäfte des ETN geführt. Er ist Ehrenpräsident und Ehrenmitglied. Als angestellter Geschäftsführer bezog er ein Gehalt von 5.000 Euro und nutzte als Dienstwagen einen unverhältnismäßig teuren Mercedes Geländewagen. Die vorübergehend aufgegebene Geschäftsführung hat er zwischenzeitlich wieder inne. Darüber hinaus ist er als Ehrenmitglied auch Delegierter und sogar Sprecher dieses zentralen Vereinsorgans, das stellvertretend für die Mitgliederversammlung den Vorstand entlastet und wählt sowie den jährlichen Rechenschaftsbericht über Einnahmen und Ausgaben entgegennimmt. Außerdem zählt die Genehmigung des Haushaltsplans für das nächste Geschäftsjahr zu den Aufgaben der Delegierten. Die wichtige Kontrollfunktion der Delegierten war und ist angesichts der Zusammensetzung allerdings stark eingeschränkt. Vorstände, Ehepartner, Verwandte oder sonstige „Abhängige“ zählten oder zählen zu den Delegierten. Wie feudalistisch Wiescher den ETN führt, zeigt ein Wiescher-Brief vom 6. März 2010, in dem „die zu wählenden“ Delegierten und Aufsichtsräte für die eine Woche danach stattgefundene Mitgliederversammlung vorgegeben wurden. Damit Heinz Wiescher in der Geschäftsstelle telefonisch immer sofort jemanden erreicht, wurde extra eine Art „rotes Telefon“ eingerichtet. Als CharityWatch.de diese Nummer einmal nutzte, nahm der Geschäftsleiter Götz Bukenberger atemlos den Hörer ab und meldete sich mit: „Was gibt’s, Herr Wiescher?“

Dienstwagen. Muss der Geschäftsführer eines Tierschutzvereins einen 65.000 Euro teuren Mercedes der M-Klasse fahren? Heinz Wiescher gönnt sich diesen Luxus, dessen Auflistung der Sonderausstattungen zwei Seiten umfasst. Als aber Anfang 2010 sein Geschäftsführervertrag vorerst gelöst wurde, kaufte er dem ETN das nicht einmal ein Jahr alte Auto privat ab. Kaufpreis 45.000 Euro – bezahlt in bar. Ummelden musste Wiescher das Auto nicht, denn er hat es beim Kauf schon auf seinen Namen angemeldet, obwohl der ETN den Kaufpreis bezahlte. Der ETN hat sogar noch Bezinkosten bezahlt, als das Auto schon an Wiescher privat verkauft war. Seit der Abwahl der Vorstände Stephanow und Christa Schöne im Juli 2010 ist aber wieder alles anders. Wiescher ist nun erneut Geschäftsführer und hat seinen privaten Mercedes an den ETN zurückverkauft. Angeblicher Preis: 45.000 Euro. Schon merkwürdig, dass das Auto nur dann an Wert verliert, wenn den Verlust die Spender/Mitglieder tragen müssen. Auch hierzu war Wiescher nicht zu einer Stellungnahme bereit.

Fluktuation. Von den vier Ende 2009 tätigen Vorständen ist heute nur noch Dieter Ernst im Amt. Diane Reiser schied Anfang dieses Jahres aus und wurde von Hermann-Josef Fensky ersetzt. Kurz danach schieden Rainer Schöne und Heinz Wiescher aus und Wolfgang Stephanow und Christa Schöne übernahmen die Ämter. Allerdings nur für wenige Monate. Im Juli sind sie in einer umstrittenen Delegiertenversammlung „entmachtet“ worden. Helga Selzle wurde als neues Vorstandsmitglied aufgenommen. Heinz Wiescher füllt wieder das Amt des Geschäftsführers aus, das er erst im März an Wolfgang Stephanow abgegeben hatte. Im Aufsichtsrat kam es Anfang 2010 ebenfalls zu einem Wechsel, auf den nun wohl eine Amtsniederlegung folgt. In einem sehr deutlichen Schreiben hat der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Lambürger im Sommer massive Informationsmängel kritisiert und sogar gerichtliche Schritte angedroht. Sein Amt will nun auch er aufgeben.

Mittelverwendung. Die Liste von zweifelhaften Mittelvergaben ist lang. Sie ist außerdem so gravierend, dass nach Informationen von CharityWatch.de zwischenzeitlich mehrere Personen Anzeigen erstattet haben. Gegenstand von Anzeigen ist zum Beispiel die langjährige Förderung eines angeblichen Tierschutzprojektes auf Mallorca. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber um eine Ferienpension. CharityWatch.de fragte deshalb Wiescher, ob er dort schon einmal einen Urlaub verbrachte – leider ohne Antwort. Ein anderer Fall ist der sechsstellige Zuschuss zum Umbau eines privaten Bauernhofes in Österreich als „Vorzeigeobjekt“ während private Verbindungen zwischen der Familie des Landwirts und der Familie Wiescher existieren. Wie nachhaltig diese und weitere Vorwürfe am Ende sind, müssen staatliche Stellen klären – bis dahin gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Gegenüber CharityWatch.de war Wiescher jedenfalls nicht zu einer Stellungnahme bereit.

Prüfpflicht. Unabhängig von der moralischen Prüfpflicht gegenüber den Spendern/Mitgliedern hat der ETN einen vom Finanzamt vorgegebenen Auftrag, die Verwendung der an andere Vereine weitergeleiteten Gelder regelmäßig zu prüfen. Dass dies beim ETN aber offenbar teilweise vernachlässigt wird, zeigt ein Protokoll eines Vorstandstreffens vom 6. Mai dieses Jahres. Damals kritisierte der Ehrenpräsident Wiescher die Kontrolle eines Zuschussempfängers durch den damaligen Vereinspräsidenten und Geschäftsführer Stephanow, der einem Partner einen unangemeldeten Besuch abstattete. Stephanow wurden „Stasimethoden“ vorgeworfen. Nach offenbar heftiger Diskussion fragte der damalige Vereinspräsident und Geschäftsführer den Ehrenpräsidenten, ob die Ankündigung von Konsequenzen als Drohung zu verstehen sei. Die Antwort von Wiescher laut Protokoll: „Ja“

Bukenberger. Als enger Vertrauter von Wiescher gilt der Geschäftsleiter Götz Bukenberger. Die Vereinssatzung dürfte der Rechtsanwalt Bukenberger gut kennen. Bis Ende 2009 war darin definiert, dass „das Wohlergehen der Tiere gefördert“ und „Tierquälerei und Misshandlung verhütet“ sowie Zuwiderhandlungen gegebenenfalls „ohne Ansehen der Person“ verfolgt werden sollen. Trotzdem blieb ohne Konsequenzen, dass Bukenberger den gesamten Zierfischbestand auf Hof Huppenhardt vergiftet hat. Er ist außerdem Hobbyjäger und berät Mandanten zu Rechtsfragen der Jagd. Vom ETN bezieht er ein anständiges Gehalt, das laut einer Personalkostenübersicht nur vom Geschäftsführer Wiescher überboten wird. Darüber hinaus hat der ETN in den letzten drei Jahren 337.000 Euro für Rechtsberatungskosten ausgegeben.

Bilanzen. Der ETN ist ein vermögender Verein. Per Ende 2009 verfügte er über ein Vermögen von gut elf Millionen Euro bei Jahreseinnahmen von knapp 3,7 Millionen Euro. Ein erheblicher Teil des Vermögens stammt aus Regressansprüchen gegenüber den verurteilten Spendenbetrügern Wolfgang U. und Eduard B.. Diese Ansprüche summieren sich seit 2005 auf sechs Millionen Euro. Die Verwaltungs- und Werbekosten sind aus den Unterlagen nicht eindeutig herauslesbar. Rund eine Million Euro dürfte aber 2008 auf keinen Fall direkt den Tieren zu Gute gekommen sein. Damit kann die Werbeaussage des ETN, wonach „90 Prozent der Mitgliedsbeiträge und Spenden dem Vereinszweck, das heißt dem Tier- und Naturschutz, zufließen“, nur als Spendertäuschung eingestuft werden.

CW-Meinung. Bezüglich der erwähnten Anzeigen gilt die Unschuldsvermutung! Aus Spender-/Mitgliedersicht ist das aber ohnehin nicht entscheidend. Denn moralisch ist das Verhalten des Ehrenpräsidenten, Delegiertensprechers, Ehrenmitglieds und Geschäftsführers Wiescher längst inakzeptabel. Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum bei einem Millionenvermögen und Gesamteinnahmen von 3,7 Millionen Euro 2009 ohne die Ausgaben für die ETN-Einrichtungen Hof Wiesenfeld und Hof Huppenhardt nur 970.000 Euro an bezuschusste Tierheime weitergeleitet wurden? Eine klare Abgrenzung der Tierschutzausgaben von Werbung und Verwaltung verweigert der ETN. Und selbst die Verteilung der Zuschüsse an andere Tierheime sowie deren Verwendungskontrolle erfüllt nicht die Ansprüche, die ein Spender/Mitglied zu Recht erwarten darf. Vor dem Hintergrund der Historie des Vereins, der früher ETHW hieß und auch systematisch Mitglieder von Arche 2000 Welttierhilfe übernahm – zwei der größten Spendenskandale Deutschlands –, ist das Vereinsgebaren besonders zweifelhaft.

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