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Für eine bessere Spendenkultur
11/20/2009 von Stefan Loipfinger
Archivtext

CharityWatch.de - Öffentliches Frageportal

Entscheidungshilfe für Spender

#6141 Jesuitenmission zu Anfrage Organisation (9/12/2011)
Ich bin ehemaliger Jesuitenschüler (Abi Jahrgang 1968) und habe mich im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen an von Jesuiten geführten Schulen auch mit den Vermögensverhältnissen des Jesuitenordens befasst. Im Zuge dieser Recherchen bin ich auch auf die „Jesuitenmission“ gestoßen, einer Einrichtung, die weltweit Projekte finanziert. Dabei sind mir einige Ungereimtheiten aufgefallen, zu denen ich gerne eine Stellungnahme bekommen würde:

Die Jesuitenmission hatte im Jahr 2009 Spendeneinnahmen in Höhe von 13.753.945 Euro. Dieser Gesamtbetrag teilt sich auf in zweckgebundene Spenden: 10.746.084 Euro und freie (nicht Zweck gebundene) Spenden in Höhe von: 1.891.708 Euro sowie diverse Einnahmen in Höhe von: 1.116.153 Euro.
Zweckgebundene Spenden werden (nach Aussagen des Ordens) ohne jeglichen Abzug (Verwaltungskosten, andere Aufwendungen) für das vom Spender vorgegebene Projekt verwendet.

Auf der Ausgabenseite wird für Projektförderungen ein Betrag in Höhe von: 12.061.331 Euro ausgewiesen. Zieht man von diesem Betrag die zweckgebundenen Spenden (nicht Verwaltungskosten belastet) in Höhe von 10.746.084 Euro ab, verbleibt ein Betrag für nicht zweckgebundene Spenden in Höhe von 1.315.247 Euro.

Ferner finden Sie auf der Ausgabenseite einen ausgewiesenen Betrag in Höhe von 631.293 Euro Verwaltungskosten und 435.605 Euro für Öffentlichkeitsarbeit. Diese beiden Ausgabenpositionen (Gesamtbetrag 1.066.898 Euro) gehen also voll zu Lasten der nicht zweckgebundenen Spenden in Höhe von 1.315.247 Euro.
Ob die Spender für nicht zweckgebundene Spenden wohl wissen, dass von jedem gespendeten Euro 0,81 Euro nicht für Spendenbedürftige verwendet werden? Und wenn sie dies wissen würden, würden sie dann überhaupt noch spenden?

Die zweite Frage ist, dass in der Gegenüberstellung Einnahmen 13.753.945 Euro (Spenden) und Ausgaben 13.128.229 Euro (Projektförderung, Verwaltungskosten, Kosten Öffentlichkeitsarbeit) ein Fehlbetrag in Höhe von 625.716 Euro verbleibt.

Über den Verbleib oder die Verwendung dieser 625.716 Euro gibt es in dem Rechenschaftsbericht keine Hinweise. Warum nicht?
Zuletzt fällt mir noch auf, dass jesuitische "Spendeneinrichtungen" sich nicht der freiwilligen Kontrolle des DZI Spendensiegels unterworfen haben, einer Einrichtung, die den korrekten Umgang mit Spendenmitteln überwacht und testiert. Warum eigentlich?

von CharityWatch.de-Leser Jesuitenschüler**

Re: von Jesuitenmission (prokur@jesuitenmission.de)
vom 19.09.2011 19:56:59

Sehr geehrter Herr Loipfinger,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu unserem Rechenschaftsbericht 2009. Hier finden Sie unseren aktuellen Rechenschaftsbericht: http://www.jesuitenmission.org/uploads/media/weltweit_Sommer_2011_01.pdf (S. 11-30).

Zu Ihren Fragen:
1. Die Ausgaben im Jahr 2009 für Verwaltung, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit von insgesamt 1.066.898 Euro gehen keineswegs voll zu Lasten der freien Spenden. In dem ausgewiesenen Posten diverse Einnahmen sind 536.631 Euro an Zinserträgen enthalten, die komplett in die Verwaltungsausgaben fließen. Der Rest in Höhe von 530.267 Euro wird aus der Summe der freien Spenden und freien Erbschaften (insgesamt 2.471.230 Euro) finanziert. Das heißt, 21 Cent jedes freien Spenden- und Erbschaftseuros fließen in Verwaltung, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit. Andersherum ausgedrückt: 79 Cent jeden freien Spenden- und Erbschaftseuros fließen in Projekte, über die der ehrenamtliche Beirat der Jesuitenmission entscheidet. Trotzdem danke ich Ihnen sehr herzlich für Ihren Hinweis, denn wir sind in der Jesuitenmission gerade dabei, unsere schematische Darstellung der Ausgaben und Einnahmen übersichtlicher und transparenter zu gestalten. Vielleicht wäre es tatsächlich besser, die Verwaltungskosten auf alle Spenden umzulegen. Bis jetzt können wir so allerdings garantieren, dass zweckgebundene Spenden zu 100 Prozent weitergeleitet werden.

2. In jedem Jahr gibt es eine Differenz zwischen den Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben. Im Jahr 2009 kam die Differenz durch die Sonderbitte für die Hungerhilfe Simbabwe zustande, die 2.18 Millionen Euro ergab. Daraus wurden Lebensmittellieferungen finanziert, die sich bis ins Folgejahr hineingezogen haben.

3. Wir sind bereits seit einiger Zeit im Gespräch mit dem DZI bezüglich der Erteilung des Spendensiegels. Wir erfüllen alle Kriterien bis auf eines: unsere Rechtsform. Die Jesuitenmission ist Teil der Deutschen Provinz der Jesuiten, Körperschaft des öffentlichen Rechts. Eine K.d.ö.R. hat im Unterschied zu einem e.V. eine andere Organisationsstruktur, die so in den Richtlinien des DZI nicht vorgesehen ist. Außerdem ist die Erteilung des Spenden-Siegels ebenfalls ein Ausgabeposten zu Lasten der Spenden (die Bearbeitungsgebühr des DZI liegt bei einem Grundbetrag in Höhe von 500 EUR und einem Zusatzbetrag in Höhe von 0,035 Prozent der Gesamteinnahmen im zu prüfenden Geschäftsjahr).

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten und grüße Sie herzlich,

Klaus Väthröder SJ
Missionsprokurator

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