Thursday, 4/25/2024 Home Suche nach Organisation Datenschutz Impressum
Für eine bessere Spendenkultur
11/20/2009 von Stefan Loipfinger
Archivtext

CharityWatch.de - Öffentliches Frageportal

Entscheidungshilfe für Spender

#5652 ana yi africa - Brücken nach Afrika e.V. zu Anfrage Organisation (7/17/2011)
Sehr geehrte Damen und Herren, ich finde die Idee mit den Mikrokrediten sehr gut und interessant, mich würde interessieren ob und wieviel Zinsen dafür berechnet werden? Werden diese Kredite ausschließlich aus Spenden finanziert?Über eine Antwort bedanke ich mich vorab.
Mit freundlichen Grüßen
J. Hildebrand
von CharityWatch.de-Leser Hippokrates**

Re: von ana yi africa - Brücken nach Afrika e.V. (heike@anayiafrica.de)
vom 18.07.2011 15:21:27

Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Um ein Mikrokreditprogramm als nachhaltiges Programm zur Armutsbekämpfung zu etablieren, wie wir es in Togo bereits im 2. Jahr der Existenz geschafft haben, ist es erforderlich, dass Programm vor Ort so aufzubauen, dass es, unabhängig von Spenden, existieren kann. 80 % unserer MikrokreditnehmerInnen sind Analphaten und können nicht rechnen. In wöchentlichen Treffen, die auch der Rückzahlung der Kredite dienen, wird ihnen beigebracht, wie sie ein Budget aufstellen können, wie sie mit dem Kredit ein Geschäft aufbauen können, wie sie mit heimischem Gemüse und heimischen Gewürzen kochen können, warum sie für 2 Euro Jahresbeitrag Mitglied in der Karawane der Gesundheit werden sollen, die für ihre medizinische Versorgung garantiert, warum sie ihre Kinder zur Schule senden sollen, warum sie sich Solarlampen kaufen sollen etc. Diese beispielsweise werden von der Kopeme Group in Togo auf Abzahlung angeboten. Das heißt, wir finanzieren die Lampen vor, die zum Teil in Togo montiert werden und die in Togo gewartet werden können - und die von guter Qualität sind und stellen sie den Kunden mit der Möglichkeit, sie in einem Jahr mit dem Äquivalent, das sie sonst für Petroleum ausgegeben haben, abzuzahlen. Wir halten die Menschen an, aufzuforsten, da die zunehmende Desertifikation und das Abholzen der Bäume den Klimawandel beschleunigt, zu Erosionen führt und zu Dürren führen kann.

Mikrokredite, in diesem Sinne vergeben, sind mehr als nur die Vergabe von Krediten. Wir arbeiten mit Menschen in extremer Armut zusammen. Unsere durchschnittliche Kredithöhe ist 88 Euro und soll Ende des Jahres 150 Euro betragen. Ende 2011 möchten wir allen unseren Kreditnehmern den individuell höchsten Mikrokredit mit 150 Euro zur Verfügung stellen und alle Haushalte sollen über Licht verfügen (das Social Business Lumière pour Tous). Mit der durchschnittlichen Kredithöhe liegen wir,w enn man sie mit anderen Mikrofinanzinstituten vergleicht, im absoluten unteren Bereich, ein Zeichen dafür, dass wir wirklich mit den extrem Armen arbeiten. Mikrofinanz ist nicht gleich Mikrofinanz. Es gibt Institute, die vergeben Kredite mit einer durchschnittlichen Höhe von mehreren Hundert Euro; da reden wir nicht mehr von Armutsbekämpfung, sondern eher von einer Mittelstandsfinanzierung, die sicher auch ihren Sinn macht, aber nicht mit unserem Programm zu vergleichen ist.

Die Kopeme Group stellt durch die wöchtenlichen Treffen sicher, dass die Mikrokreditnehmer die Systematisierung ihres Lebens via Zugang zu Kredit managen, dass sie finanzielle "Alphabetisierung" erreichen, dass sie lernen, zu rechnen, zu kalkulieren, sich um ihre Gesundheit zu kümmern. Dieses Programm bedingt, dass auch Zinsen gezahlt werden müssen, sonst wäre das Programm in dem Moment, wo keine Spenden mehr eintreffen, am Ende. Ein Social Business wie das mit den Solarlampen und den Mikrokrediten muss aber auf Langfristigkeit aufbauen.

Zur Höhe der Zinsen: Nehmen Sie unsere Mikrokreditklassen: Mit A geht es los "Arrivé", Ankunft. Eine Frau kommt zur Kopeme Group und fragt um einen Kredit nach. Sie hat keinerlei Garantien. Sie bildet mit anderen Frauen eine Gruppe. Alle in der Gruppe erhalten einen Anfangskredit von 15 Euro, die sie über 10 Wochen zurückzahlen. Während dieser 10 Wochen nimmt die Frau an den wöchentlichen Treffen in einem Center in ihrer Nähe teil, das heißt: nicht sie muss einen weiten Weg zur Bank machen, sondern der Bankmitarbeiter kommt zu dem Treffen.

Sie zahlt ihren Kredit über 10 Wochen mit 1,50 Euro pro Woche zurück und für die Schulung, die Betreuung, das Kommen des Bankmitarbeiters, das Vorhandensein eines Daches, unter dem sich die Frauen versammeln können, das Vorhandensein einer Bank, auf die sie sich setzen kann, zahlt sie 0,075 Euro pro Woche, das sind insgesamt 0,75 Euro in 10 Wochen. In den 10 Wochen schafft sie es, sich aus den Klauen der Kredithaie zu befreien, mit denen sie sonst ihr Geschäft gemacht hat. Si verdient in den 10 Wochen - das haben Studien ergeben - 270 Euro - und muss 15 Euro Kredit plus 0,75 Euro Bearbeitungsgebühren, Fahrtkosten, Zinsen, Schulungsgebühren bezahlen.

Sie wird für 2 Euro Mitglied in der Karawane der Gesundheit und hat mit ihren Kindern die Konsultation frei, erhält zugelassene Medikamente zum Selbstkostenpreis und wird, wenn sie ihren Mitgliedsausweis im Krankenhaus vorzeigt, von diesem auch dann medizinisch versorgt, wenn sie kein Geld zum Bezahlen hat - weil wir spendenbasiert und über einen Solidaritätsfonds einen solchen Fonds aufgebaut haben.

In der Stufe B - Bon eleve (gute Schülerin) erhält sie 49 Euro Kredit, den sie über 30 Wochen zurückzahlt. In dieser Stufe fängt sie an zu sparen. Die Ersparnisse werden zum Ende der Stufe verzinst an sie ausgezahlt - und dann hat sie schon die 15 Euro Kapital, die 49 Euro Kapital und die Ersparnisse - und dann springt sie in die Stufe "Courage" - und erhält knapp 90 Euro, die über 50 Wochen zurückzuzahlen sind. In dieser Stufe lernt sie, ihre Produktpalette zu diversifizieren, andere Produkte aufzunehmen oder en gros einzukaufen etc. - in der letzten Stufe D "Doyen" - Meister - mit 150 Euro Kredit in 50 Wochen zurückzuzahlen - haben die Frauen die Grenze zur extremen Armut bereits überschritten, weil sie über ein Budget verfügen, das höher ist, als die von den Vereinten Nationen und der Weltbank angegebene Armutsgrenze mit 1,25 US $ verfügbarem Einkommen pro Tag.

In dieser Stufe sollen die Frauen solange bleiben, wie sie selbst Kredit benötigen oder bis sie, begleitet durch uns, eine Geburtsurkunde und einen Ausweis haben, sodass sie sich als Bürger des Staates registrieren lassen können und evtl. sogar Zugang zu einem normalen Bankkonto haben - oder reisen können.

Wir haben das Mikrofinanzprogramm spendenbasiert aufgebaut, die Treffpunkte mit Spendengeldern gebaut, die Bänke in einem Zentrum geschreinert, das mit gespendeten Maschinen aufgebaut wurde. Die Kinder der besonders armen Frauen erhalten eine vergünstigte Schuluniform, die in einem mit Spenden aufgebauten Nähzentrum genäht werden, die Solarlampen, die vertrieben werden, werden zum Teil mit Spendengeldern angeschafft und dann abbezahlt...

Wenn Sie sich dafür interessieren, zu spenden: Der Verein ana yi africa ist als gemeinnützig anerkannt. Wir dürfen nach Abstimmung mit dem für uns zuständigen Finanzamt für Mikrokredite Spendengelder einwerben. Derzeit fließen die Spenden, da unser Schulprojekt für das neue Schuljahr bereits durchfinanziert sind, in die Idee "Lumière pour tous - Licht für alle", dem Projekt mit den Solarlampen.

Wenn Sie sich dafür interessieren, zu investieren, bieten wir Ihnen mit 2 in Hamburg eingetragenen Genossenschaften die Möglichkeit dazu: African Social Business Pure e.G, die keine Zinsen an Investoren ausschüttet, sondern das Kapital in 5 Jahren zurückzahlt und African Social Business Plus e.G., die 5 % Zinsen anbietet, um Investoren die Möglichkeit zu geben, zu investieren, die Zinserträge benötigen (z.B. Stiftungen). Beide Genossenschaften sind als Social Business aufgestellt.

Wenn wir nur auf Spenden basiert hätten wachsen wollen, wären wir in Togo längst noch nicht da, wo wir sind. Es ist einfacher, jemanden zu gewinnen, viel Geld zu investieren, statt zu spenden. Der Spendenmarkt orientiert sich häufig an Aktualitäten wie Katastrophen und es wird viel zu viel Geld ausgegeben, um Spenden einzuwerben.

Die Zinsen, die die Mitglieder der Kopeme Group zu zahlen haben, werden von ihnen als absolut fair angesehen - und stellen auch, wie ich in meinem Beispiel oben darstellte, überhaupt kein Problem dar, da ihre Geschäfte eine wesentlich höhere Dynamik haben. Wichtig ist, dass die Mittelvergabe an ein Geschäftsmodell gebunden ist.

Wir sind Schüler von Grameen und von Professor Muhammad Yunus, der 2006 den Friedensnobelpreis erhielt, und der zum Thema Profite und Mikrokredite einen Artikel in der New York Times schrieb:

http://www.nytimes.com/2011/01/15/opinion/15yunus.html

Warum es auch wichtig ist, das Angebot von Solarlicht nachhaltig - d.h. spendenunabhängig - aufzubauen, lesen Sie bitte in diesem Artikel.

http://www.nytimes.com/cwire/2010/10/20/20climatewire-bringing-clean-light-to-poor-nations-and-mov-88428.html

Wenn Sie mir Ihre eMail-Adresse zukommen lassen, sende ich Ihnen gerne weitere detailliertere Informationen zu.

Beste Grüße

Heike Eggers

* Die Fragen werden von CharityWatch.de per eMail an die betreffende Organisation gesendet. Zur Beantwortung steht ein angemessener Zeitraum von 7 Tagen zur Verfügung. Nach verstreichen dieser Antwortzeit werden nicht beantwortete Anfragen bei der jeweiligen Organisation rot markiert.

** Alle Fragen werden gegenüber der Organisation von CharityWatch.de ausschließlich unter dem jeweiligen Pseudonym des Lesers veröffentlicht.

Anfragen können Sie per "Suche nach Organisation" stellen.

Wiederholte Anfragen können Sie im Formular durch Eingabe Ihres Pseudonyms und der Angabe des angegebenen Ortes abkürzen.

Lesen Sie hierzu auch: