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Für eine bessere Spendenkultur
2/4/2010 von Stefan Loipfinger
Archivtext

Vier Vereine im Kreuzfeuer

Verurteilung ist noch kein Neuanfang

Die Logos von vier zweifelhaften Vereinen

Heidrun Sch. und ihr Sohn Carsten Sch. haben zusammen gewerbsmäßige Untreuevorwürfe in Millionenhöhe gestanden. Die geschädigten Vereine Kinder in Not e.V. und Deutsche Gesellschaft Tiere & Natur e.V. wurden 2002 bis 2004 um über fünf Millionen Euro gebracht. Beide Vereine sind immer noch aktiv und es bestehen bedenkliche Verbindungen zu zwei anderen Organisationen. Für fast 30.000 Mitglieder stellt sich deshalb die Frage, ob sich trotz Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wirklich etwas verändert hat?

Kinder in Not. Dieser Verein wurde 1985 von angeblich „sozial engagierten Bürgern in München“ gegründet. Dazu zählte die gerade wegen Untreue verurteilte Heidrun Sch., die anfänglich den Vorsitz im Vorstand übernahm. Ihr Sohn Steffen M. fungierte lange als zweiter Vorsitzender. Seit 2008 leitet den Verein die 44-jährige Natascha Marquardt, die vorher schon als einfacher Vorstand unter dem Vorsitzenden Hans-Karl Schreiber arbeitete. Laut eigenen Aussagen versteht sich der Verein als „Interessenvertreter für Kinder und Jugendliche in akuten Notsituationen“. Laut einem Informanten zählt der Verein rund 15.000 Mitglieder. Die Staatsanwaltschaft hat bei ihren Ermittlungen festgestellt, dass in den untersuchten Jahren 2002 bis 2004 „nur jeweils circa zehn Prozent entsprechend dem eigentlichen Vereinszweck verwendet“ wurden. Die übrigen Kosten flossen „überwiegend an die Mitglieder der Familie Sch.“

DGTN. Der Deutsche Gesellschaft Tiere & Natur e.V. (DGTN) ist 25 Jahre alt und zählt sich zu den ältesten Tier- und Naturschutzvereinen in Deutschland. Heidrun Sch. leitete den Verein zeitweise als erste Vorsitzende. Auch ihr Sohn Steffen M. und ihr Bruder Ernst K. waren zwischendurch Vorsitzende des Vorstandes. Heute wird die Deutsche Gesellschaft Tiere & Natur von Hans-Kurt Pötz als Vorsitzenden und Hans Rill als dessen Stellvertreter geleitet. Mit angeblich 12.000 Mitgliedern zählt der Verein zu den Größeren seiner Art. Doch auch hier hat die Staatsanwaltschaft in ihren Ermittlungen eine massive Zweckentfremdung von circa 90 Prozent der Mittel im untersuchten Zeitraum 2002 bis 2004 festgestellt: „Spätestens im Tatzeitraum war der eigentliche Zweck der Vereine die Finanzierung des Lebensunterhaltes der Familie Sch., die über die Vereinsvermögen wie eigenes Vermögen verfügten.“

ONK. Der Verein Organisation für Notleidende Kinder e.V. (ONK) war nicht Gegenstand der Ermittlungen. Dieser 1989 gegründete Verein hat laut eigenen Angaben schon „Tausenden von Kindern geholfen“, die mit ihrer Familie „vor einem für sie unlösbaren Problem standen“. Heidrun Sch. war bei diesem Verein ebenfalls viele Jahre im Vorstand. Im Jahr 2000 wurde sie von ihrem Bruder Ernst Klein abgelöst, der dort bis heute als erster Vorsitzender fungiert.

Social VIPs. Der in München ansässige und eingetragene Verein Social VIPs e.V. wurde 2007 gegründet und wird von Hans Rill geführt. Verantwortlich für den Inhalt der Vereinswebsite ist eine in Südafrika ansässige Gesellschaft. Hans Rill hat mitgeholfen, die Öffentlichkeitsarbeit der Vereine Kinder in Not und Deutsche Gesellschaft für Tiere und Natur zu verbessern. Beim DGTN ist er als zweiter Vorsitzender des Vorstandes tätig. Laut einer von Rill verteilten Presseinformation der Social VIPs von März 2008 startete der „Charity-Club“ mit prominenter Besetzung: „Dallas-Star Audrey Landers, Traumschiffkapitän Siegfried Rauch, Rocky Bruder Frank Stallone, die Volksmusik Legenden Maria & Margot Hellwig und Olympiasieger Klaus Wolfermann haben sich zusammengeschlossen und mit anderen VIPs ihre Kräfte gebündelt.“ Was die Prominenten aber davon wirklich wussten, ist nicht klar. Das Büro der Hellwig-Schwestern hat auf Nachfrage von CharityWatch.de erklärt: „Es gab vor gut zwei Jahren mal eine Anfrage über die Agentur von Hellwigs, ob beide in solch einem Verein Ehrenmitglied werden könnten. Unterlagen hatten wir keine erhalten und seit dem auch nichts mehr von der Angelegenheit gehört.“

CW-Meinung. Bei allen vier Vereinen ist extreme Vorsicht angebracht. Angeblich sollen alle vier Vereine nicht gemeinnützig sein. Mitglieder sollten deshalb nicht blind darauf vertrauen, dass sich vieles verändert hätte beziehungsweise die Veruntreuungen von Heidrun und Carsten Sch. weit in der Vergangenheit liegen. So schreibt die Organisation für Notleidende Kinder auf ihrer Homepage: „Leider wird ONK [...] wie auch andere Vereine, immer wieder mit Spendenskandalen redaktionell in Zusammenhang gebracht. ONK distanziert sich davon ausdrücklich.“ So lange die Vereine nicht bereit sind, absolut transparent über die Verwendung der Gelder Auskunft zu geben, so lange ist kein glaubwürdiger Neuanfang erkennbar. Außerdem sollten die Mitglieder von Kinder in Not und DGTN bei ihren Vereinen mal nachfragen, ob denn die gestandenen Untreuetaten nicht mit Schadensersatzprozessen geahndet werden sollten.

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