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Für eine bessere Spendenkultur
9/13/2011 von Karin Burger
Archivtext

Haus und Wildtierhilfe Lüneburger Heide e. V.

Spendensammlung für Privatperson mit Tierhalteverbot

Wichtige Aufgabe: Katzenschutz
© Dušan Zidar - Fotolia.com

Über viele Jahre hinweg war die 1986 gegründete Haus- und Wildtierhilfe Lüneburger Heide e. V. ein ganz normaler kleiner Tierschutzverein, der seinen Arbeitsschwerpunkt vor allem bei Katzen hatte. Zwar bietet die Vereinsgeschichte hier und dort amüsante Anekdoten, aber Spektakuläres war bisher nicht dabei. Das änderte sich 2011, als der Verein mit seinen beiden Vorsitzenden Pia Kästner und Andreas Popp in einem der größten Tierschutzskandale des letzten Jahres, dem „Gnadenhof“ Momo, für deren Betreiberin Barbara B. öffentlich, mit Buch und Video Partei ergriffen. Inzwischen ist der Verein auch in die juristische Aufarbeitung des „Gnadenhof“-Falls involviert. Überdies sammelt er für diese private, von keiner Behörde genehmigte und einem Hundehaltungs- und Betreuungsverbot unterliegende Einrichtung sogar Spenden.

Nicht-Gnadenhof Momo. Allein in der Zeit von November 2010 bis Juli 2011 führte das für diese Einrichtung zuständige Veterinäramt Landkreis Diepholz drei verschiedene Beschlagnahmungs- und Sicherstellungsaktionen durch. Dabei wurden den Betreibern weit über 100 Hunde weggenommen, außerdem noch vier Katzen und einige Frettchen. Seit Dezember 2010 besteht gegen Barbara B. ein durch die zuständige Behörde ausgesprochenes dauerhaftes Hundehaltungs- und Betreuungsverbot. Das ist keine neue Erfahrung für diese Frau, gegen die die Behörden in den letzten 20 Jahren insgesamt für 17 Jahre ein Tierhaltungsverbot verhängt hatten. In einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2011 wird der Einrichtung in Dörrieloh auch der Status „Gnadenhof“ abgesprochen. Die verschiedenen juristischen Verfahren sind allerdings noch nicht abgeschlossen.

Verbotene Hundebetreuung. Im November 2010 wurden 97 Hunde vom „Gnadenhof“ Momo beschlagnahmt. Im März 2011 nahm das Veterinäramt Barbara B. weitere 18 Hunde weg. Immer noch aber befanden sich fünf oder sechs Hunde dort. Gut einen Monat nach der zweiten Beschlagnahmung übernahm der Verein Haus- und Wildtierhilfe die verbliebenen Hunde in sein Eigentum, beließ sie aber weiterhin in der Obhut von Barbara B., die schon seit Dezember 2010 einem dauerhaften Hundehaltungs- und Betreuungsverbot unterlag. Im Juli 2011, als es zur dritten behördlichen Wegnahme kam, befanden sich diese Hunde immer noch dort. Die CharityWatch.de-Frage, warum ein Tierschutzverein Hunde monatelang in der Obhut einer Person belässt, welche keine Hunde halten darf, wurde nicht beantwortet.

Öffentliches Eintreten. In einer spektakulären Aktion outete sich vor wenigen Wochen der Verein Haus- und Wildtierhilfe Lüneburger Heide e. V. als Fürsprecher von Barbara B. und die weiterhin als“ Gnadenhof“ Momo bezeichnete Einrichtung. Mitte August stellten Pia Kästner und Andres Popp das Video „Gnadenlos gegen Gnadenhof“ im Internet ein. Auch ein gleichnamiges Buch ist aus dem Schild-Verlag verfügbar. Das Video, in dem sich sowohl Pia Kästner als auch Andreas Popp ausführlich äußern, vertritt die These, alle offiziellen Maßnahmen gegen den Nicht-Gnadenhof seien ein Akt der Behördenwillkür, welche der Betreiberin großes Unrecht zufügen würden. Diese erhält in einem von Michael Vogt, Geschäftsführer des produzierenden Verlages, geführten Interview ausführlich Gelegenheit, sich zu dem „bürokratischen Terror gegen die, die sich den Ärmsten der Armen in der Tierwelt annehmen“ (Zitat aus dem Redaktionstext zum Video) zu äußern.

Spendenaufruf. Doch der Verein belässt es nicht bei diesem medienwirksamen Outing, sondern ruft darüber hinaus zu Spenden für diese private Einrichtung ohne behördliche Genehmigungen, aber mit Hundehaltungsverbot auf. Der Verein begründet seinen Spendenaufruf damit, dass „die vom Landkreis an den Gnadenhof auferlegten Kosten nicht für die Tiere verwendet werden konnten, sondern für zu Unrecht geforderte Verfügungen ausgegeben werden mussten.“ Abgesehen von der inhaltlichen Unverständlichkeit dieser Äußerung, werden die behördlichen Maßnahmen auch hier als „Unrecht“ etikettiert. Die „Geld- und Sachspenden die auf dem Hof gebraucht werden“, werden nachfolgend dann als Basisbedarf spezifiziert, wenn zum Beispiel um Holz- und Kohleöfen, um einen Durchlauferhitzer, um ein Vordach, einen Trecker, eine Innentreppe, Sessel, Bettwäsche, Decken und Handtücher gebeten wird.

Nicht satzungsgemäß. Ein Spendenaufruf für eine Privatperson, die einem behördlichen Hundehaltungs- und Betreuungsverbot unterliegt, gegen die schon in der Vergangenheit für insgesamt 17 Jahre ein Tierhaltungsverbot bestand und gegen die noch eine ganze Reihe von Rechtsverfahren anhängig sind, ist mit einer satzungsgemäßen Verwendung von Spendengeldern nicht in Einklang zu bringen. Schließlich ist in der Satzung dieses Vereins „die Förderung und Pflege des Tierschutzes“ als Zweck und Zielsetzung festgeschrieben. Auch andere Spendenaufrufe dieser Tierschützer irritieren, wenn für „die Versorgung vieler bedürftiger Menschen mit Tierfutter“ gesammelt wird. Denn so fließen Spenden über den Verein an Privatpersonen, deren Bedürftigkeit für den Spender nicht überprüfbar ist.

Keine Antworten. Diese vielen Undurchsichtigkeiten führen zu Fragen an die Verantwortlichen des Vereins. Doch der steht dafür nicht zur Verfügung. Weder legt der Verein Haus- und Wildtierhilfe Lüneburger Heide e. V. seinen Geschäftsbericht noch seine Jahreszahlen offen. Einzelfragen werden auch nicht beantwortet. Zur Begründung bei telefonischer Nachfrage erklärt Pia Kästner, der Verein wolle nicht in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Dieser Hinweis erstaunt besonders angesichts der Tatsache, dass die Verantwortlichen mit dem Video und Buch „Gnadenlos gegen Gnadenhof“ gerade erst die Öffentlichkeit auf spektakuläre Art und Weise gesucht haben.

Verbindung „Wissensmanufaktur“. Und was hat dieser Tierschutzverein mit der „Wissensmanufaktur“ zu tun? Schon im Internet ist die Vereinswebsite ausschließlich über die Homepage des „Institut für Wirtschaftsforschung und Gesellschaftspolitik“ zu erreichen. Die Gesamtleitung der Einrichtung liegt bei Pia Kästner, gleichzeitig erste Vereinsvorsitzende. Als „international bekannter Repräsentant“ der so genannten Wissensmanufaktur firmiert Andreas Popp, darüber hinaus zweiter Vorsitzender des Tierschutzvereins. Im wissenschaftlichen Beirat des politischen Instituts wiederum sitzt Helmut F. Kaplan, der aufgrund seiner provokativen, von Kritikern teilweise als menschenverachtend bewerteten Äußerungen bekannte Tierrechtler.

Unklare Vereinsaktivitäten. Die über die Internetadresse der Wissensmanufaktur erreichbare Vereinswebsite informiert nur plakativ über die Aktivitäten dieser Tierschützer. Dort heißt es etwa: „Alte und kranke Tiere kommen in unsere Auffangstation auf den Gnadenhof“. Welcher Gnadenhof ist damit gemeint? Ist es wieder der Nicht-Gnadenhof Momo, gegen den der Landkreis Diepholz mit bisherigen Kosten von rund 50.000 Euro tätig werden musste? Eine andere Auffangstation dieses Vereins ist nicht bekannt. Und auch im Internet wird keine Adresse genannt. Der Verein stellt auch keine Tiere vor, die vermittelt werden sollen. Im Mitgliedsantrag, der im Internet verfügbar ist, heißt es: „Ich möchte die Tierrechtsarbeit gerne unterstützen“. Die Frage an die Vereinsvorsitzende, ob der Verein nun eher im karitativen Bereich oder eher im politischen Tierschutz (Tierrechtsarbeit) tätig ist, wird nicht beantwortet. Auch die Website-Option „Fördermitglied werden“, unter der diese Beitrittserklärung abrufbar ist, wirft Fragen auf, denn die Satzung sieht überhaupt keine Fördermitglieder vor. Dort ist nur von „Mitgliedern“ die Rede.

Formaljuristische Fehler. In diesem Verein haben es die Verantwortlichen von jeher nicht so genau mit dem Vereinsrecht und Verfahrensfragen genommen. Eher harmlos ist es dabei noch, wenn eine Person 1996 erst „im Zuge der Vorstandswahlen Mitglied des Vereins“ (Protokoll der Mitgliederversammlung) wird. Wenn aber 2005 Andreas Popp in die Position des zweiten Vorsitzenden gewählt wird, die mit Satzungsänderung in der Mitgliederversammlung 1998 allerdings abgeschafft wurde, ist das kein Schönheitsfehler mehr. So waren 2006 dann zwei Mitgliederversammlungen notwendig, in denen die Satzung erneut geändert und die Funktion des zweiten Vorsitzenden wieder eingeführt wurde. Dass beide Vorsitzende gemäß Satzung jeweils alleinvertretungsberechtigt sind, trägt auch nicht zum Aufbau sinnvoller Kontrollmechanismen bei.

Kein Katzenschutz. Verschiedene Quellen berichten CharityWatch.de glaubwürdig, dass Pia Kästner angeblich verwilderte Hauskatzen im Landkreis einfängt und auf den Nicht-Gnadenhof Momo zum dauerhaften Verbleib bringt. Sowohl der Entwurf der Katzenschutzverordnung des Deutschen Tierschutzbundes wie verschiedene Expertenvoten weisen ausdrücklich darauf hin, dass es mit dem Tierschutzgedanken nicht zu vereinbaren ist, verwilderte und mithin meist menschenscheue Katzen einzufangen und dauerhaft in Gefangenschaft zu halten. Der Gesundheitszustand der vier im März 2011 von diesem Nicht-Gnadenhof weggenommenen Katzen stürzen Tierschützer in große Sorge um das Wohl der vom Verein Haus- und Wildtierhilfe eventuell dorthin verbrachten Samtpfoten. Auch die CW-Frage nach diesem Thema lassen die beiden Vorsitzenden unbeantwortet.

Mitgliedschaft VNT. Die Haus- und Wildtierhilfe Lüneburger Heide e. V. verweist immer wieder auf ihre Mitgliedschaft im Verband niedersächsischer Tierschutzvereine VNT. Dieser Verband wirbt ausdrücklich damit, politisch neutral zu sein. Auf die Frage, wie sich dieser Anspruch politischer Neutralität mit den Aktivitäten und Verflechtungen bei dem Mitglied Haus- und Wildtierhilfe verträgt, räumt der Verbandsvorsitzende Heiko Schwarzfeld ein, über die jüngste Entwicklung dieses Vereins nur bruchstückhaft informiert zu sein. An Informationen über nicht satzungsgemäße Aktivitäten sei der Verband aber sehr interessiert, wie Schwarzfeld gegenüber CharityWatch.de betont.

CW-Meinung. Es ist für Tierfreunde nicht nachvollziehbar, warum sich ein Tierschutzverein öffentlich und medienwirksam für eine Privatperson einsetzt, gegen die in verschiedenen Landkreisen über einen Zeitraum von fast 20 Jahren hinweg Behörden im Sinne des Tierschutzes aktiv werden mussten. Das Sammeln von Geldern für die Tierhaltung von Privatpersonen ist schwerlich mit der Satzung in Einklang zu bringen. Der Verein steht in einem undurchschaubaren organisatorischen und personellen Zusammenhang mit einer politisch aktiven Organisation namens „Wissensmanufaktur“. Mindestens zwei Personen im Umfeld von Verein, Wissensmanufaktur und Verlag sind in der Vergangenheit aufgrund politisch extremer Positionen aufgefallen. Das angebliche Einfangen und dauerhafte Einsperren von verwilderten Hauskatzen ist tierschutzwidrig. Der Verein selbst beantwortet einfachste Fragen nicht, legt keinen Geschäftsbericht vor und gibt sich vollständig intransparent.