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Für eine bessere Spendenkultur
8/19/2011 von Stefan Loipfinger
Archivtext

Children’s Network International

Spenden für den Fundraiser

Großzügige Geschenke für Spender
Bild: Rückseite eines Bettelbriefs

Über eine Million Euro Spenden pro Jahr sammelt die höchst zweifelhafte Children’s Network International. Die Gemeinnützigkeit wurde ihr nun rückwirkend aberkannt. In Rheinland-Pfalz ist ihr das Spendensammeln verboten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit längerem. Doch weiterhin werden Spender mit falschen Versprechen geködert. Diese Organisation ist erneut ein trauriges Lehrbuchbeispiel, wie mit der Gutgläubigkeit vieler Menschen hohe Umsätze generiert werden können.

Bettelbrief. Erst kürzlich stellte ein CW-Leser einen Anfang diesen Jahres verschickten Bettelbrief von Children’s Network International zur Verfügung. Darin wird die erschütternde Geschichte eines krebskranken Mädchens in Honduras erzählt. Der Gründer und Geschäftsführer Roger Presgrove bittet um dringenden Beistand, denn „es müssen noch viel mehr Kinder versorgt werden“. Auch wenn man deshalb „zu nichts verpflichtet“ ist, wurden dem Bettelbrief zehn Grußkarten und zehn Kuverte beigelegt. Presgrove schreibt dazu: „Doch ich hoffe und bete, dass auch Sie Kindern wie Luisa während ihrer langen Krebsbehandlung ein Stückchen Geborgenheit gönnen.“

Gemeinnützigkeit. Der Bettelbrief von Anfang 2011 enthielt noch den Hinweis, dass Children’s Network International vom Finanzamt Berlin als gemeinnützig anerkannt ist. Das ist zwischenzeitlich überholt. Der Status wurde für das Jahr 2008 aberkannt, was angeblich „für bestehende wie potenzielle Spender nicht einfach nachzuvollziehen“ wäre. Zweifelhaft wird ausgeführt, man müsse zwischen einer steuerrechtlich relevanten Einstufung und der im Unternehmenszweck dargestellten Gemeinnützigkeit unterscheiden. Die Organisation behauptet trotzdem, dass „alle Spenden weiterhin für gemeinnützige, wohltätige Zwecke verwendet werden“. Die Finanzzahlen zeigen allerdings etwas anderes. Gegen die Entscheidung des Finanzamtes hat Children’s Network International Widerspruch eingelegt.

Täuschungen. Die Liste der Fragwürdigkeiten ist lang. Zum Beispiel gibt es auf der Homepage einen Jahresabschluss 2009 zum Download, der im Original 21 Seiten umfasst. In der öffentlichen Version fehlen aber wichtige Seiten. Am 9. August wurde noch versprochen, den Originalabschluss auf Anfrage zuzusenden. Dieser Hinweis fehlt nun und der seit 1. Juli als Geschäftsführer bestellte Michael Muth schreibt dazu: „Den angeforderten Jahresabschluss kann ich Ihnen erst zusenden, wenn die staatsanwaltlichen Ermittlungen zu Gunsten von Children’s Network International abgeschlossen worden sind.“ Ein Beispiel für die Irreführung der Spender liefert die Angabe zu den Verwaltungskosten. Aufgrund einer „erfreulichen Kostensenkung“ wurden 2009 angeblich nur 1,6 Prozent der Spendeneinnahmen dafür aufgewendet. Zum Nachrechnen: Die Einnahmen betrugen 1,19 Millionen Euro und die „Ausgaben für Verwaltung“ laut dem verkürzten Jahresabschluss stolze 559.700 Euro. Das sind aber 47 Prozent!

Projektausgaben. Während 2008 die Satzungsausgaben mit 384.900 Euro noch magere 37,9 Prozent der Spendeneinnahmen betrugen, hat sich diese Quote in 2009 mit 627.700 Euro auf 53 Prozent erhöht. Auf telefonische Nachfrage erklärte allerdings Muth, dass davon 310.000 Euro in die Öffentlichkeitsarbeit flossen, die damals zwei Unternehmen der SAZ-Gruppe durchführten. Zusammen mit den als Werbekosten deklarierten 541.000 Euro kassierten die Fundraiser also rund 72 Prozent der Spendeneinnahmen. Weitere Gelder vereinnahmten das Büroserviceunternehmen Satellite Office in Berlin und das Steuerbüro Genge + Schmidtmeier. Am Ende ging also gerade mal jeder vierte Euro in Projekte, wobei der genaue Zahlungsfluss dieser Gelder, wie viel wofür und an wen überwiesen wurden, nicht bekannt ist. Die Frage, an welche Partnerorganisationen wie viel Geld überwiesen wurde, beantwortete Muth mit dem Hinweis, dass man in Deutschland nicht mit Partnerorganisationen zusammen arbeitet. Das war aber nicht die Frage. Hängt die ausweichende Antwort damit zusammen, dass Roger Presgrove President der in den USA geführten Help the Children ist? Dort hat er nach eigenen Angaben in mehr als 13 Jahren über 500 Millionen US-Dollar Spendengelder bewegt.

Verträge. Roger Presgrove hat sich bei Children’s Network International einige fragwürdige Rechte einräumen lassen. Als alleiniger Gesellschafter kann er eine „angemessene Vergütung für erbrachte Arbeitsleistungen“ erhalten, über die er als Gesellschafter beschließen müsste. Laut Muth hat er darauf bisher verzichtet. Auch von der Möglichkeit, Verträge mit sich selbst abzuschließen, hat Presgrove laut Muth bisher keinen Gebrauch gemacht. Aber warum hat der im sonnigen Kalifornien lebende Presgrove sich diese Möglichkeiten überhaupt eingeräumt? Er wurde übrigens bei der Gründung im Februar 2005 von Rechtsanwalt Dr. Guido Plassmeier vertreten, der Partner bei der Sozietät Schmitz Knoth ist.

ADD. Eine sehr klare Aussage traf die leider nur für Rheinland-Pfalz zuständige ADD Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion aus Trier. In einer Pressemitteilung wurde im Januar 2010 geschrieben, dass „erhebliche Zweifel an einer zweckentsprechenden Verwendung der Spendengelder bestehen“. Weiter führte die Behörde aus: „So wurden bisherige Spendeneinnahmen in erster Linie für eine Werbeagentur verausgabt. Auch gab es nach Darstellung der Gesellschaft für 2007 keine Projektaufwendungen für die beworbenen karitativen Zwecke. Die tatsächliche Verwendung der Spendengelder steht somit im Widerspruch zu der in den Spendenaufrufen versicherten effektiven Verwendung der Spenden für konkrete Hilfsprojekte.“ Darauf angesprochen schreibt Michael Muth von einer „These“, die er nicht anerkennt. Geprüft wurde 2007: „Wie bei allen anderen Unternehmen in einer Gründungsphase kann die Relation von Spendeneinnahmen (Umsatz) und administrativen Kosten noch nicht ausgewogen sein.“ Dem möchte CharityWatch.de vehement Widersprechen. Es kann schon, leider muss es aber nicht sein, wie dieser Fall mal wieder eindringlich bestätigt.

Staatsanwaltschaft. Über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover zu sieben Organisationen hat CharityWatch.de schon mehrfach berichtet. Auch Children’s Network International ist einer der betroffenen Fälle. Michael Muth weist auf Nachfrage den Vorwurf des Spendenbetrugs entschieden zurück. Während des laufenden Verfahrens will er sich zu den Vorwürfen nicht äußern.

CW-Meinung. Sehr eindringlich formulierte Spendenaufrufe produzieren jährlich Spendeneinnahmen in Millionenhöhe. Der Großteil des Geldes kam aber nicht Kindern, sondern den Fundraisingunternehmen zu Gute. Nach telefonischer Auskunft von Geschäftsführer Muth waren dies 2009 zwei Unternehmen der SAZ-Gruppe. Mit im Spiel ist auch hier der von verschiedenen sehr zweifelhaften Organisationen beauftragte Steuerberater Jens Genge. Die ADD verbietet zu Recht das Sammeln in Rheinland-Pfalz. Die restlichen 78 Millionen Bundesbürger dürfen aber trotzdem abkassiert werden. Es bleibt also abzuwarten, was die Staatsanwaltschaft ermittelt und wie eventuell bei einer Anklageerhebung die Richter entscheiden. Auch wenn strafrechtlich für die Beschuldigten weiterhin die Unschuldsvermutung gilt, so sollten Spender trotzdem auch schon jetzt ihr Geld an unterstützenswertere Vereine überweisen.