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7/12/2011 von Karin Burger
Archivtext

Animals Hope e. V.

„Gnadenhof“ Momo ist kein Gnadenhof

Mikka vom "Gnadenhof" Momo
Zeichnung originalgetreu: Erri Emra

Zu einem der spektakulärsten Tierschutzfälle gehört der „Gnadenhof“ Momo des Tierschutzvereins Animals Hope e. V. bei Dörrieloh im Landkreis Diepholz. CharityWatch.de hatte wiederholt über die verschiedenen Beschlagnahmungen des Veterinäramts berichtet. Allein im November 2010 wurden den Betreibern rund 100 Hunde in teilweise erbarmungswürdigem Zustand weggenommen. Bei einer weiteren Beschlagnahmung im März 2011 wurden von vorhandenen 22 Hunden 16 von der Amtstierärztin beschlagnahmt. Bei einer Vorort-Kontrolle Anfang Juli 2011 zog das Veterinäramt jetzt auch die restlichen fünf Hunde ein. Vollständige Rückendeckung und Bestätigung erhielt die verantwortliche Behörde inzwischen durch einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg.

Zahlreiche Rechtsverfahren. Es ist nicht einfach, über die Fülle der zu diesem Fall anhängigen Rechtsverfahren den Überblick zu behalten. Nach Auskunft von Wolfram von Lessen, Erster Kreisrat des Landkreises Diepholz, gegenüber CharityWatch.de sind insgesamt fünf Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg ergangen; nur einer dieser wurde veröffentlicht. Der Entscheidungstext dieses veröffentlichten Beschlusses umfasst zehn Seiten und zeichnet auch die Chronologie des Falles noch einmal nach. Bei der Betreiberin jedoch stellt sich nach all diesen Beschlüssen keine Einsicht ein. Im Gegenteil: Die Lokalpresse meldet, Barbara B. habe eine Petition beim niedersächsischen Landtag eingereicht. Thema: Amtsmissbrauch und Behördenwillkür.

Rückenstärkung. In einer Pressemitteilung des Landkreis Diepholz vom 28. Juni 2011 wird der wesentlichste Aspekt des OVG-Beschlusses herausgehoben. „Das Oberverwaltungsgericht bestätigt das konsequente Durchgreifen des Veterinäramts in einem der schwersten Tierschutzfälle der letzten Jahre“, erklärt von Lessen. Damit sind auch sämtliche Beschwerden der Betreiberin des „Gnadenhofes“ gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Hannover zurückgewiesen. Die Kosten der fünf Eilverfahren wurden der Beschwerdeführerin auferlegt. Des Weiteren hebt der Landkreis in seiner aktuellen Pressemitteilung hervor, dass die Leiterin des Veterinäramts Diepholz, Dr. Anja Eisenack, zu jeder Zeit die Rückendeckung des gesamten Fachausschusses im Landkreis genossen habe.

Kein Gnadenhof. Juristisch wesentlich war auch die Klärung der Frage, ob es sich bei dem „Gnadenhof“ Momo überhaupt um einen Gnadenhof handele. Die Lüneburger Richter kamen zu dem Beschluss, dass der Einrichtung in Dörrieloh die Merkmale einer tierheimähnlichen Einrichtung zuzuweisen sind. Begründet wird das unter anderem mit der Vermittlungstätigkeit der „Gnadenhof“-Betreiber. An den Status der tierheimähnlichen Einrichtung jedoch knüpft sich die Erlaubnisbedürftigkeit. Eine Erlaubnis aber lag für diese Einrichtung nie vor. Im Übrigen bestätigt das Gericht noch einmal die enge Verbindung zum Verein Animals Hope e. V., welche in der lebhaften Diskussion nach der ersten Beschlagnahmung insbesondere von der Vereinsvorsitzenden bestritten worden war. Die Richter des Oberverwaltungsgerichts zitieren in ihrem Beschluss ausdrücklich den CharityWatch.de-Artikel vom 15. November 2010.

Tierschutzrelevanz. Der OVG-Beschluss bewertet an verschiedenen Stellen des Entscheidungstextes immer wieder die von den Amtstierärzten vorgefundenen und dokumentierten Verhältnisse auf dem „Gnadenhof“ Momo: „die nicht artgerechte Unterbringung der Hunde, zum Teil unzureichende hygienische Bedingungen, fehlende Rückzugsmöglichkeiten und Verhaltensstörungen bei vielen Hunden wegen fehlenden Auslaufs und unzureichender Sozialkontakte“; „waren die Hunde weiterhin nicht verhaltensgerecht untergebracht“, „unter völlig unzureichenden Haltungsbedingungen“. Bei einer Durchsuchung des Grundstücks am 27. Oktober 2010 habe man 73 nicht zuzuordnende Hundepässe aus verschiedenen europäischen Staaten und etwa 50 Abgabeverträge für Hunde mit einer so genannten Schutzgebühr vorgefunden.

Dauerhaftes Hundehaltungsverbot. Im Dezember 2010 wurde der Betreiberin des „Gnadenhof“ Momos schließlich das Halten und Betreuen von Hunden auf Dauer untersagt. Auch gegen diese Anordnung des Landkreises hat Barbara B. geklagt; eine rechtskräftige Entscheidung hierzu liegt noch nicht vor. Dennoch hatten die Amtstierärzte bei einer weiteren Vorortkontrolle im März 2011 wieder 22 Hunde vorgefunden, von denen 16 mitgenommen wurden. Bei der aktuell letzten Beschlagnahmung am vergangenen Mittwoch wurden der Betreiberin die noch vorfindbaren fünf Hunde weggenommen.

Hoher Tierbestand. Hunde dürfte es gemäß Rechtsprechung in Zukunft auf dem „Gnadenhof“ Momo nicht mehr geben. Allerdings befinden sich dort noch jede Menge anderer Tiere, die aufgrund der Masse teilweise gar nicht bezifferbar sind. So etwa lässt sich die Anzahl der Katzen dort kaum feststellen, wie Thorsten Abeling vom Diepholzer Veterinäramt gegenüber CharityWatch.de erklärt. Der Fachbehörde ist sehr wohl bekannt, dass fortlaufend weitere Katzen, die von einem CharityWatch.de bekannten Tierschutzverein aus frei lebenden Beständen eingefangen werden, auf den „Gnadenhof“ Momo gebracht werden. Des Weiteren befinden sich nach Bestandsaufnahme der Amtstierärzte vom 6. Juli 2011 dort: drei Ziegen, drei Hängebauchschweine, 14 Pferde, 53 Degus. Bezüglich dieser Tiere konstatiert das Veterinäramt im Moment „keinen Handlungsbedarf“.

Steuerzahler-Rechnung. Das sich nun schon seit über einem Jahr hinziehende Verfahren hat allein für den Landkreis Diepholz Kosten in Höhe von bisher rund 50.000 Euro produziert. Das sind vor allem Tierarzt- und Unterbringungskosten. Rein rechtlich müssten für diese Kosten die „Gnadenhof“-Betreiber aufkommen. Diese Forderung jedoch zu realisieren, dürfte mehr als schwierig werden, so dass am Schluss der Steuerzahler für diese Art des Tierschutzes zahlen wird.

CW-Meinung. Die Geschichte des „Gnadenhof“ Momo ist beispiellos in Deutschland. Beispielhaft jedoch und jetzt auch durch den Oberverwaltungsgerichtsbeschluss bestätigt ist das entschlossene und konsequente Vorgehen des Veterinäramts Diepholz, namentlich seiner Leiterin Dr. Anja Eisenack. Gegen alle Beweise und alle Gerichtsbeschlüsse agieren immer noch Teile der Tierschutzszene und beschönigen die Vorgänge in nicht nachvollziehbarer Art und Weise. Dass es aktive Tierschützer gibt, die Katzen aus so genannten verwilderten Beständen heraus einfangen und auf diesen Nicht-Gnadenhof bringen, ist tierschutzwidrig und skandalös. Die Akten dieses Falles sind noch lange nicht geschlossen. Auch sorgen sich viele Tierschützer um die noch auf dem „Gnadenhof“ befindlichen Tiere. Das knappe Urteil „kein Handlungsbedarf“ der Fachbehörde ist unter dem Vorbehalt zu sehen, dass de facto keine Lösung beziehungsweise keine Unterbringungsmöglichkeiten für die jetzt noch auf dem Hof befindlichen Tiere bestehen. Verwilderte Katzen in Tierheimen und ähnlichen Einrichtungen unterzubringen, gilt nicht als tiergerecht.

Spender sollten grundsätzlich kritisch sein bei so genannten Gnadenhöfen. Diese benötigen keinen Sachkundenachweis und keine Genehmigung der zuständigen Veterinärbehörde, gelten als quasi private Tierhaltungen und unterliegen damit keinen regulären fachbehördlichen Kontrollen. Auch das Zutrittsrecht der Amtstierärzte zu solchen Einrichtungen ist erschwert.

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