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12/9/2010 von Karin Burger
Archivtext

Illegale Tierimporte (1)

Geltendes EU-Recht wird nicht angewandt

Tierimporte sind häufig illegal
Bild:©Michael Homann-Fotolia.com

Der Import von Tieren aus dem Ausland ist ein heiß umstrittenes Thema. Abseits aller Pro und Contras in der Diskussion unter Tierschützern hat der Gesetzgeber sowohl auf Bundes- sowie auf Europa-Ebene schon längst eindeutige Fakten geschaffen und gibt genaue Regelungen vor. Nur: In Deutschland wird dieses geltende Recht in einigen Bundesländern nicht angewandt. Abseits aller behördlichen und seuchenrechtlichen Kontrollen wird eine nicht bezifferbare Anzahl von Tieren, insbesondere Hunde, durch Tierschutzorganisationen in die Bundesrepublik eingeführt. Für die Bundesländer Sachsen, Saarland und Hamburg liegt CharityWatch.de das Eingeständnis der Nichtanwendung geltenden Rechts durch die zuständigen Ministerien schriftlich vor.

Rechtsrahmen. Im September 2010 legte Dr. Patrik Huselstein vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) eine detaillierte Stellungnahme vor, die das geltende Recht bei der Einfuhr von Tieren durch Tierschutzorganisationen erklärt. Die wichtigsten Punkte dabei sind:
1. Alle Tierschutzorganisationen müssen vor der Einfuhr von Tieren bei ihrem zuständigen Veterinäramt eine Registriernummer nach Paragraph 4 Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung (BMTierSSchV) beantragen.
2. Unabhängig von der Art des Transportes und der Anzahl der Tiere müssen alle Transporte am Tag der Verbringung über das TRACES-System gemeldet werden.
3. Auch Tierschutzorganisationen benötigen eine Genehmigung nach Paragraph 11 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe b Tierschutzgesetz für den „gewerblichen Handel mit Tieren“. Diese Genehmigung hat nichts mit der für Tierheime und tierheimähnliche Einrichtungen vorgeschriebenen Paragraph 11-Genehmigung (Sachkunde) zu tun.
4. Welpen unter drei Monaten, die aufgrund ihres Alters nicht gegen Tollwut geimpft sind, dürfen überhaupt nicht und auch nicht in Begleitung eines Muttertieres nach Deutschland eingeführt werden. Auch Ausnahmegenehmigungen sind hierfür nicht möglich.

Bundesweite Anfrage. Aufgrund der Ergebnisse bei Einzelrecherchen startete CharityWatch.de eine bundesweite Anfrage an alle Landwirtschaftsministerien. Dabei richtete sich die Presseanfrage auf die Anzahl der mit entsprechenden Genehmigungen ausgestatteten Vereine und Organisationen, die Anzahl der gemeldeten Transporte sowie die Anzahl der 2009 eingeführten Hunde. Zu jedem Bundesland wurden diese Daten dann auch noch für einen Beispielverein abgefragt.

Unwissenheit. Vielen Tierschutzorganisationen ist die Gesetzeslage nicht bekannt. Immer wieder ist der Einwand zu hören, es handele sich im Tierschutz nicht um eine gewerbliche Tätigkeit. Der Gesetzgeber sieht das anders. Es geht nicht um einen möglicherweise erzielten Gewinn, sondern lediglich darum, ob im Zusammenhang mit dieser Einfuhr Geld fließt. Das ist im Tierschutz der Fall, werden doch bei der Vermittlung der Tiere Schutzgebühren erhoben. Ausschlaggebendes und unterscheidendes Kriterium zur sogenannten Reiseverkehrsregelung ist der intendierte Besitzerwechsel im Zielland. Entscheidend ist auch nicht die Anzahl der eingeführten Tiere. Die zitierten Regelungen gelten ebenso, wenn nur ein einziger Hund nach Deutschland verbracht wird. Jede Tierschutzorganisation, jeder Tierschützer, der ohne Registriernummer nach Paragraph 4 BMTierSSchV und ohne TRACES-Meldungen Tiere in die Bundesrepublik einführt, tut dies illegal. Das gilt auch für Flugpatenschaften.

Sachsen. Das sächsische Staatsministerium teilt auf Anfrage zu einem Einzelfall mit, dass dem zuständigen Veterinäramt die Rechtslage erst durch die Hinweise von CharityWatch.de klar geworden ist und hat sich ausdrücklich dafür bedankt. Um die Umsetzung der Vorschriften zukünftig sicherzustellen, wurden die Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter noch einmal über die Rechtslage bei der Einfuhr von Tieren und beim Handel mit diesen Tieren informiert.

Hamburg. Es gibt eine ganze Reihe von Tierschutzorganisationen im Zuständigkeitsbereich der Hamburger Verbraucherschutz-Behörde, die regelmäßig Tiere aus dem Ausland einführen. Aber weder 2009 noch in den Jahren zuvor ist irgendeiner Tierschutzorganisation im Bundesland Hamburg jemals eine Registriernummer nach Paragraph 4 BMTierSSchV zugewiesen worden. Kein Tierschutzverein und keine Tierschutzorganisation in diesem Bundesland wurde bisher von den zuständigen Veterinärbehörden dazu aufgefordert, eine Genehmigung zum gewerblichen Handel mit Tieren zu beantragen. Im TRACES-System ist keine einzige Meldung eines Transportes von Tieren in das Bundesland Hamburg vorhanden. Irgendwelche Zahlen darüber, wie viele Hunde 2009 eingeführt wurden, hat das Ministerium nicht. Das bedeutet, tierseuchenrechtliche Kontrollen von Tiereinfuhren durch Tierschutzorganisationen finden bisher nicht statt.

Saarland. Ausfertigungsdatum der BMTierSSchV ist 1992. Die aktuelle Fassung dieses Gesetzes ist seit April 2005 bekannt. Trotzdem argumentiert das Saarländische Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz konträr zur bestehenden Rechtslage damit, dass sich die in diesem Bundesland ansässigen Tierschutzvereine auf ihre gemeinnützige Tätigkeit beriefen. Bei der Abgabe von Tieren würden lediglich Schutzgebühren erhoben, die keiner Gewinnerzielung dienen. Selbst zwei Monate nach der expliziten Klarstellung durch das BMELV, wonach der Status „gewerblicher Handel mit Tieren“ auch für Tierschutzvereine gilt, zieht sich das Saarland auf die obsolete Gemeinnützigkeitsposition zurück. Aber auch ohne das Kriterium der Gewerblichkeit gilt die BMTierSSchV in der aktuellen Fassung seit fünf Jahren. Folglich ist seit dem eine Registriernummer erforderlich und Transporte müssen über TRACES gemeldet werden. Doch auch dieser Teil gesetzlicher Bestimmungen kommt im Saarland nicht zur Anwendung: keine einzige Registrierung, kein einziger ins Saarland gemeldeter Tiertransport. Demgemäß bleibt die Abfrage der Daten zu einer im Saarland ansässigen Tierschutzorganisation, die nachweislich und regelmäßig Hunde aus dem Ausland einführt, negativ.

Fehlende Kontrolle. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 250.000 und 400.000 Hunde jährlich aus dem Ausland in die Bundesrepublik eingeführt werden. Obwohl der Auslandstierschutz und die Einfuhr von Tieren durch Tierschutzorganisationen inzwischen einen erheblichen Umfang erreicht hat, obwohl in der Vergangenheit immer wieder gefährliche Seuchen ausgebrochen sind (aktuell die infektiöse Anämie bei Pferden), findet in verschiedenen Bundesländern bisher keine Anwendung geltenden EU-Rechts statt. Tierimporte durch Tierschutzorganisationen bewegen sich in einem Graubereich außerhalb jeder behördlichen Kontrolle.

Brisanz erkannt. Inzwischen haben die Länder-Ministerien die Brisanz der Anfragen von CharityWatch.de erkannt. Das Thema wurde auf die Agenda der letzten Sitzung der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) gesetzt. In der LAV wirken die für den Verbraucherschutz zuständigen obersten Landesbehörden zusammen. Aufgabe ist insbesondere eine Koordinierung des Vollzuges der Rechtsvorschriften. Eine Stellungnahme der LAV ist angekündigt und wird anschließend von CharityWatch.de veröffentlicht.

CW-Meinung. Welchen Stellenwert tierseuchenrechtliche Kontrollen besitzen, haben die großen Tierseuchen-Bedrohungen (Vogel-, Schweinegrippe etc.) der vergangenen Jahre deutlich gemacht. Auch die Gruppe der Seuchen, welche keine direkten gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen hat, werden durch den weltweiten Reiseverkehr und globalen Handel schnell zu einer Gefahr mit potenziell großen wirtschaftlichen Schäden. Deshalb ist es nicht hinnehmbar, wenn geltendes Recht in diesem Bereich nicht angewandt wird.
Doch das Thema hat weitere Facetten: Obwohl Tierschutz als Staatsziel definiert ist, werden weite Bereiche dieser wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe in das Ehrenamt verschoben. Als Beispiele zu nennen sind die Fundtierverwaltung und die Betreuung von durch die Behörden beschlagnahmter Tiere. Wie sich jetzt herausstellt, bewegt sich auch die Einfuhr von Tieren durch Tierschutzorganisationen teilweise in einem Bereich abseits jeder staatlichen Kontrolle. Der Tierschutz selbst muss ein vitales und seinem gesellschaftspolitischen Stellenwert angemessenes Interesse daran haben, seine Arbeit transparent, kontrolliert und sicher zu machen.