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Für eine bessere Spendenkultur
4/19/2010 von Stefan Loipfinger
Archivtext

Hatun & Can

Hochachtung vor Alice Schwarzer

Hatun & Can wollte Frauen helfen, die vor ihren Männern flüchten
Bild: Dr. Susanna Berndt

Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer muss derzeit viel Kritik einstecken. Ihr an Hatun & Can e.V. gespendeter Gewinn über eine halbe Million Euro aus der Quizshow „Wer wird Millionär“ ist nicht so verwendet worden, wie beabsichtigt. Als sie das bemerkte, hat sie nicht weggesehen, wie es vermutliche viele andere tun. Sie ging den unbequemen Weg und hat ihren Fehler öffentlich gemacht. In einem kürzlich verfassten Blog schrieb sie von KollegInnen, die versuchten sie zu „bremsen, wenn nicht gar einzuschüchtern“. Tenor: „Wie stehen Sie denn dann da, Frau Schwarzer!“ Das war für sie aber nicht wichtig. Sie hat Zivilcourage bewiesen und ohne Rücksicht auf die eigene Reputation eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in die Wege geleitet. Das stolze Ergebnis: Knapp 400.000 Euro und ein BMW im Wert von 60.000 Euro wurden beschlagnahmt und können hoffentlich bald Vereinen zugeführt werden, die das Geld sinnvoll verwenden.

Hatun & Can. Nach einem so genannten Ehrenmord in 2005 wurde der Verein Hatun & Can gegründet. Udo D., der sich aus angeblichen Sicherheitsgründen den Aliasnamen Andreas Becker gegeben hat, wollte Frauen aller Nationalitäten helfen, denen Gewalt angedroht wird. Zahlreiche Presseorgane haben den Verein empfohlen, der mit seinem Zweck einen Nerv der Zeit getroffen hat. Auch die Verlegerin und EMMA-Chefredakteurin Alice Schwarzer fand die Vereinsziele unterstützenswert und hat neben positiven Veröffentlichungen sogar selbst mehrere Tausend Euro gespendet. Zuletzt eben eine halbe Million Euro, die sie bei Günther Jauch in der Sendung „Wer wird Millionär“ gewann. Ihrer Verantwortung entsprechend hat sie die Verwendung der Großspende genauer hinterfragt und bei weiteren Recherchen leider schreckliches entdeckt: „In Wahrheit aber gab Udo D. von Anbeginn an die Spenden für sich persönlich aus. Er schmiss Runden in seinen Neuköllner Stammkneipen, lud eine Freundin zum Luxustrip ein, kaufte sich eine goldene Uhr und ging ins Thai-Bordell oder auf den Straßenstrich.“ Konsequenz: Eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Ende 2009 führte zuletzt zur Verhaftung von Udo D., alias Andreas Becker.

Ausrede. Nachdem die ersten kritischen Meldungen über den Verein öffentlich wurden, hat CharityWatch.de beim Verein um Übersendung eines Jahresberichts mit Finanzzahlen gebeten. Folgende Ausrede benützte Andreas Becker noch vor seiner Verhaftung in seiner Antwortmail: „Die erforderlichen Unterlagen befinden sich sämtlichst zur Prüfung beim Finanzamt. In circa vier bis sechs Wochen erfolgt die Freigabe. Wir werden Ihnen dann selbstverständlich den aktuellen Finanzbericht zukommen lassen.“ Typisch und immer ein Alarmsignal, wie es sich zwischenzeitlich durch die bekannt gewordenen Anschuldigungen bestätigte. Denn CharityWatch.de bat um den letzten verfügbaren Jahresbericht – so wie auch ein Spender immer tun sollte. Dieser wäre sofort verfügbar und könnte später um den neuen ergänzt werden – wenn wirklich ehrlich und transparent über die Verwendung der Spendengelder informiert werden soll.

CW-Meinung. Es ist schwer zu beurteilen, ob Alice Schwarzer bei ihren öffentlichen Empfehlungen in der Vergangenheit und der Zuführung der Großspende Fehler gemacht hat. Das was sie nach eigenen Aussagen vorher geprüft hat, war auf alle Fälle sehr viel und wäre als Rechercheniveau bei vielen journalistischen Spendenempfehlungen wünschenswert. Vermutlich ist sie von einem offenbar betrügerisch arbeitenden Verein getäuscht worden. Als einziger erkennbarer „Fehler“ ist die hohe Spendensumme zu nennen. Denn ein Verein dieser Größe ist mit einer halben Million Euro überfordert. Doch das konnte Alice Schwarzer vor ihrem Auftritt bei Günther Jauch nicht ahnen – nur hoffen. Deshalb wäre es eigentlich auch die Verantwortung von Günther Jauch und der RTL-Stiftung, für solche Fälle eine Regelung abzusprechen, dass ab bestimmten Beträgen nur ein Teil dem in der Sendung genannten Verein zufließt. Der Rest kann später vom Gewinner sinnvoll und in Ruhe auf andere Organisationen verteilt werden.